FRANKFURT (awp international) - Im kommenden Jahr wird die Entwicklung des Goldpreises nach Einschätzung des Rohstoffhändlers Heraeus entscheidend von der Geldpolitik in den USA abhängen. Eine sich abschwächende Inflation und schlechtere Konjunkturaussichten könnten das Ende der steigenden Zinsen in den USA einläuten, hiess es am Dienstag beim Jahresausblick von Heraeus Precious Metals in Frankfurt. Das dürfte den Kurs des US-Dollar schwächen und den Goldpreis stützen. Dann wäre im Jahr 2023 ein Anstieg des Preises für eine Feinunze (31,1 Gramm) auf bis zu 1920 Dollar möglich.

Aktuelle kostet die Feinunze Gold an der Rohstoffbörse in London 1772 Dollar. Nach Einschätzung der Experten von Heraeus wird bei der weiteren Entwicklung des Goldpreises viel davon abhängen, wie stark die US-Zinsen noch steigen werden. Sollte die US-Notenbank Fed den Leitzins beim Kampf gegen die Inflation bis über die Marke von fünf Prozent anheben, würde dies "für Gold weiteren Preisdruck wahrscheinlich machen". Der Goldpreis könnte dann im kommenden Jahr bis auf 1620 Dollar fallen, lautet die Einschätzung der Heraeus-Experten.

"In Euro gerechnet könnte sich im kommenden Jahr aber ein interessantes Szenario ergeben", sagte Henrik Marx, Leiter Edelmetallhandel bei Heraeus Precious Metals. Aktuell wird eine Feinunze Gold bei 1690 Euro gehandelt und damit etwa zehn Prozent niedriger als im vergangenen März, als der Goldpreis bei 1902 Euro ein Rekordhoch erreicht hatte. "Sollte der Kurs des Euro im Handel mit dem US-Dollar zulegen, könnte es beim Goldpreis in Euro ein neues Rekordhoch in den kommenden Monaten geben", sagte Marx.

Eine vergleichsweise verlässliche Preisstütze bleiben die Goldkäufe durch die Zentralbanken. Hier habe zuletzt unter anderem die türkische Notenbank zu den grossen Käufern gezählt, sagte Marx. Im kommenden Jahr könnten die Goldkäufe der Zentralbanken aber möglicherweise nicht das diesjährige hohe Niveau erreichen, hiess es weiter im Jahresausblick.

Dagegen ist der Weg für russisches Gold zu den westlichen Handelsplätzen wie London oder New York durch die Sanktionen als Folge des Krieges in der Ukraine versperrt. Allerdings werde russisches Gold in Indien oder China weiterhin verarbeitet, sagte Marx. "Nach wie vor findet das russische Gold seinen Weg in Abnehmerstaaten".

Für die Schmuckindustrie könnte es im kommenden Jahr aber schwer werden, das Nachfrageniveau von 2022 zu erreichen, hiess es im Ausblick. Dabei sind regionale Unterschiede zu erwarten. Die gute Nachfrage aus Indien wird im nächsten Jahr nach Einschätzung der Heraeus-Experten voraussichtlich anhalten. Dagegen dürfte "ein geringeres Wachstum in Europa und den USA die Nachfrage in diesen beiden Regionen 2023 beeinträchtigen". Generell werde Gold aber stark nachgefragt bleiben, sagte Heraeus-Experte Marx./jkr/jsl/stk