Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat Reformen gefordert, um den Sozialstaat zukunftsfester zu machen. "Der deutsche Sozialstaat ist besser als die meisten auf der Welt, aber in zweierlei Hinsicht für die Zukunftsfestigkeit dringend reformbedürftig", sagte Heil beim Unternehmerforum des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Der Sozialstaat sei erstens "zu nachsorgend" und müsse vielmehr "früher, vorbeugender und sozialinvestiver" tätig werden, und zweitens sei er "in vielerlei Hinsicht zu bürokratisch", bemängelte der Arbeitsminister.

Die Digitalisierung der Sozialverwaltung etwa berge "Riesenpotenziale", konstatierte er. "Da sind wir erst ganz am Anfang." Nachdrücklich mahnte Heil, nach der Corona-Krise müsse ein "gepaltener Arbeitsmarkt" verhindert werden. Es drohe Fachkräftemangel, und zugleich habe die Zahl der Langzeitarbeitslosen in der Pandemie zugenommen. Deshalb müsse man jetzt vor allem auch "um jeden Ausbildungsplatz kämpfen". Heil beklagte auch unterdurchschnittliche Investitionen in Weiterbildung. Man dürfe hier nicht alles der Bundesagentur für Arbeit aufbürden. Vielmehr sei es "vornehme Unternehmeraufgabe, für Weiterbildung und Qualifizierung zu sorgen".

ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer betonte, die Pandemie "verschärft den Handlungsdruck" auf den Sozialstaat. Drängender denn je müsse man die Frage stellen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, um den Sozialstaat zukunftsfest zu machen. "Für uns im Handwerk sind insbesondere die Lohnzusatzkosten ein ganz wesentlicher Belastungsfaktor", betonte Wollseifer.

Der ZDH-Präsident mahnte zu einer Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge bei 40 Prozent, die auch "über das Jahr 2021 hinaus gelten" müsse. "Wir erwarten konkrete Lösungsvorschläge von allen Parteien, die eine künftige Regierungsbeteiligung anstreben", sagte Wollseifer. Unter anderem sei die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung zukunftssicher auszugestalten, und die Finanzierung dürfe nicht allein auf Arbeitgebern und Arbeitnehmern lasten.

In allen Sozialversicherungszweigen müsse ein "dauerhafter auskömmlicher Bundeszuschuss" gezahlt werden, "der vor allem versicherungsfremde Leistungen in voller Höhe aus Steuermitteln finanziert". Wollseifer verwies hier unter anderem auf die Mütterrente, aber auch die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen. Zudem forderte er, die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge wie vor 2006 wieder auf den Folgemonat festzulegen. Auch Wollseifer mahnte, alles dafür zu tun, "dass die Corona-Pandemie den Ausbildungsmarkt nicht nachhaltig schädigt".

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May 06, 2021 06:20 ET (10:20 GMT)