Von Laura Forman und Justin Lahart

NEW YORK (Dow Jones)--Die lange Liste Big-Tech-Unternehmen, die Mitarbeiter auf die Straße setzen, sagt sicherlich etwas über den aktuellen Zustand der Wirtschaft aus. Aber sie könnte uns noch mehr über die Aussichten der Branche verraten. Die Anleger müssen sich wahrscheinlich anderswo nach Wachstum umsehen.

Die Facebook-Muttergesellschaft Meta gab zuletzt bekannt, dass sie zum ersten Mal in der 18-jährigen Geschichte des Unternehmens in großem Stil mehr als 11.000 Mitarbeiter - also 13 Prozent der Belegschaft - entlassen wird. Auch die auf Unternehmenssoftware spezialisierte Salesforce begann diese Woche mit der Entlassung einiger Mitarbeiter. Einer der ersten Schritte von Elon Musk nach seiner Übernahme von Twitter in der vergangenen Woche war die Entlassung etwa die Hälfte der Belegschaft. In das gleiche Horn bliesen kürzlich die Taxi-App Lyft, der Zahlungsdienstleister Stripe und der iBuyer Opendoor. Sie folgten damit auf eine schwindelerregende Liste früherer solcher Schritte von Netflix, Shopify, Tesla, Snap, Compass, Peloton, Twilio und anderen. In der Zwischenzeit hat Amazon einen monatelangen Einstellungsstopp verkündet und Alphabets Google einige Mitarbeiter aufgefordert, sich auf neue Stellen zu bewerben, damit sie im Unternehmen bleiben können.

Was bei diesen Maßnahmen insgesamt auffällt: Der US-Arbeitsmarkt bleibt nach wie vor in einer sehr robusten Verfassung, auch wenn das Gesamttempo der Neueinstellungen weniger rasant ist als zu Beginn des Jahres. Die Wirtschaft hat im vergangenen Monat 261.000 neue Stellen geschaffen, die Zahl der wöchentlichen Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung ist niedrig und die Zahl der offenen Stellen bleibt hoch. Obwohl die Entlassungen im Technologiesektor für Schlagzeilen sorgen, fallen sie im Kontext des 153 Millionen Menschen umfassenden US-Arbeitsmarktes kaum mehr ins Gewicht als ein Rundungsfehler. Dennoch wirken sie sich auf die Unternehmen aus, die bis vor kurzem noch zu den wertvollsten der Welt gehörten. Der durch die Covid-Krise ausgelöste Boom im Online-Geschäft veranlasste viele von ihnen, starke Wachstumskurven zu prognostizieren und ihr Personal entsprechend aufzustocken. Ihre Chefs schienen die strahlende Zukunft, die sie den Investoren verkauften, zu begrüßen. Meta-Chef Mark Zuckerberg gestand zuletzt in einer Botschaft an die Mitarbeiter, dass er zu denjenigen gehörte, die glaubten, dass es "eine dauerhafte Beschleunigung geben würde, die auch nach dem Ende der Pandemie anhalten würde".


   Tech-Konzerne werden wie andere Firmen auch konjunkturanfällig 

Die Forderung von Apple, dass die Nutzer dem Tracking ihrer Geräte zustimmen müssen, hat die Fähigkeit der Online-Plattformen beeinträchtigt, gezielte Werbung zu verkaufen, wobei der Social-Media-Sektor besonders stark betroffen ist. Und natürlich verlangsamt sich die Wirtschaft dramatisch. Von daher ließe sich sicherlich argumentieren, dass die Entlassungen in der Tech-Branche nur der Kanarienvogel - oder was auch immer der Vogel von Twitter sein soll - in der wirtschaftlichen Kohlenmine sind.

Aber ein Teil dessen, was schnell wachsende Tech-Unternehmen für Investoren so attraktiv machte, war ihre Fähigkeit, den Wirtschaftszyklen zu trotzen. Als in den Jahren 2008 und 2009 in den USA 8,6 Millionen Arbeitsplätze verloren gingen, stellten Google und Amazon weiterhin Mitarbeiter ein. Wenn Unternehmen stattdessen beginnen, sich den Konjunkturzyklen zu unterwerfen, ähneln sie immer mehr den alten Unternehmen, die sie eigentlich ablösen sollten.

Die neuesten Superstars der Technologiebranche sind nicht blind für diese gefürchtete Metamorphose. Meta wollte sich in den Augen der Investoren so unbedingt neu positionieren, dass es seinen Namen von Facebook änderte, um sein "Metaverse"-Produkt zu etablieren, bevor es überhaupt existierte. Doch jetzt geht es darum, die Kosten zu senken und Einnahmen zu erzielen. "Chef-Twitterer" Musk sucht nach Möglichkeiten, sein neuestes Unternehmen durch Abonnements, Videos und Bezahlschranken zu stärken. Da ist er nicht allein. Zillow hat die algorithmische Vermittlung von Immobilien aufgegeben, um sich wieder auf sein bewährtes Geschäft zu konzentrieren, nämlich die Unterstützung von Maklern. Und der Streaming-Anbieter Netflix, der seit 15 Jahren dem Kabelfernsehen das Feld streitig macht, kapituliert vor dem Wachstumsdruck und fügt Werbung hinzu.


   Apple erfand sich selbst komplett neu 

Tech-Champions haben es gelegentlich geschafft, sich neu zu erfinden. Das einst so erfolgreiche Unternehmen Apple notierte im Jahr 2000 wie ein Ladenhüter. Doch die Einführung des iPod im Jahr 2001 und dann des iPhone im Jahr 2007 verwandelten es in das wertvollste Unternehmen der Welt. Auch Microsofts Investitionen in die Cloud und in Spiele haben das Unternehmen wieder groß gemacht. Aber die Geschichte ist voll von Gegenbeispielen wie RCA, Xerox, Polaroid, Palm, Yahoo, Nokia und Blackberry. Selbst der teure, aber eintönige Ford war vor einem Jahrhundert bahnbrechend. Wenn die Vergangenheit der Prolog ist, dann sind die schnell wachsenden, die Schwerkraft besiegenden Technologieunternehmen, für die sich die Anleger als nächstes begeistern, wahrscheinlich keine bekannten Namen von heute. Wahrscheinlicher ist, dass sie in Studentenwohnheimen, an Hackerplätzen oder einem Tisch mit frisch entlassenen Meta-Mitarbeitern entstehen, wo einer von ihnen sagt: "Wisst ihr, was wirklich cool wäre?"

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November 10, 2022 09:06 ET (14:06 GMT)