Von Nicholas Jasinski

FRANKFURT (Dow Jones)--In den USA gibt es nach Einschätzung des Geldpolitikers Thomas Barkin einen anhaltenden Inflationsdruck. Der Präsident der Federal Reserve Bank of Richmond, der aktuell stimmberechtigtes Mitglied im Offenmarktausschuss der US-Notenbank (FOMC) ist, hält das aktuelle Zinsniveau aber für ausreichend, um das Preiswachstum zu bremsen. Es werde jedoch einige Zeit dauern, bis die höheren Zinssätze in der Realwirtschaft voll zum Tragen kämen, sagte Barkin in einer Rede vor der Risk Management Association in Richmond im US-Bundesstaat Virginia.

Barkin ist seit 2018 Präsident der Richmond Fed. Das FOMC hält das Ziel für den Leitzins seit Juli 2023 in einer Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent.

"Die Wirtschaft stand am Ende des Jahres 2023 sehr gut da", sagte Barkin, mit einem gesunden Arbeitsmarkt und starkem Wachstum sowie monatlichen Preissteigerungen auf Jahresbasis unter dem 2-Prozent-Ziel der Fed. In den ersten Monaten des Jahres 2024 geriet der Fortschritt dann ins Stocken, so dass der Markt seine kollektive Wette auf Zinssenkungen der Fed in diesem Jahr zurückschraubt.

"Ich denke, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Daten seit dem vergangenen Monat wieder in die umgekehrte Richtung zeigen", sagte Barkin in seiner Rede weiter.

Der Verbraucherpreisindex für den Monat Mai, der am 12. Juni veröffentlicht wurde, fiel niedriger aus als erwartet: Er stagnierte in Monatssicht und lag um 3,3 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Die Daten zum verarbeitenden Gewerbe und zum Dienstleistungssektor, die Einzelhandelsumsätze und andere jüngste Indikatoren zeichnen das Bild einer immer noch wachsenden, aber schwächer werdenden Wirtschaft.

Barkin sagte, Menschen und Unternehmen, mit denen er spreche, charakterisierten die wirtschaftlichen und politischen Aussichten in vier Weisen. Die Optimisten seien der Ansicht, dass eine robuste Wirtschaft und eine sinkende Inflation Hand in Hand gingen und dass es zu einer weichen Landung komme.

Die "Nachfragepessimisten" sähen die nachlaufende Wirkung durch die geldpolitische Straffung der Fed und die höheren Zinssätze noch vor sich. Sie sorgten sich um eine schwächelnde Wirtschaft.

"Inflationspessimisten" befürchteten, dass sich das Preiswachstum wieder beschleunige. Sie verwiesen laut Barkin auf inflationsfördernde strukturelle Veränderungen in der Weltwirtschaft wie die Deglobalisierung, geopolitische Unsicherheiten und die Kosten für die Umstellung auf grüne Energie.

Die "Fed-Pessimisten" schließlich erwarteten, dass die Zentralbank einen politischen Fehler begehe: Entweder halte sie die Zinsen zu lange hoch, oder sie lockere sie zu früh, noch bevor die Inflation nachhaltig auf 2 Prozent zurückgeführt sei.

"Die historische Stärke des heutigen Arbeitsmarktes macht deutlich, dass wir uns nicht in einer Rezession befinden", sagte Barkin. "Dennoch glaube ich, dass die volle Wirkung dieser Zinserhöhungen noch auf sich warten lässt."

Im Hinblick auf die Inflation äußerte Barkin, er sehe ermutigende Anzeichen für eine Verlangsamung des Preiswachstums. Er wies zugleich darauf hin, dass die Teuerung in den Kategorien Unterkünfte und Dienstleistungen hartnäckig sei und womöglich nur langsam auf 2 Prozent zurückgehen könnte. Barkin nannte sich selbst einen "Fed-Optimisten".

"Ich bin optimistisch, dass die heutigen restriktiven Zinssätze der Nachfrage die Schärfe nehmen werden und die Inflation zurück zu unserem Ziel bringen können", sagte Barkin.

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June 21, 2024 01:03 ET (05:03 GMT)