Deutsche Messewirtschaft steht vor tiefgreifender Transformation
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FAMA Messefachtagung Freiburg (ots) -

- Deutsche Messewirtschaft steht vor tiefgreifender Transformation
- Halbwertzeit politischer Entscheidungen und Vorgaben in der Kritik
- Regelung des Sonderfonds für Messen und Ausstellungen greifen zu kurz

Messen in Deutschland sind erfolgsverwöhnt. Doch das Erfolgsmodell steht vor
einer tiefgreifenden Transformation - nicht erst seit der Pandemie. Neue
digitale Formate und Geschäftsmodelle sind gefragt. Und nicht nur das: Auch bei
der Geländeinfrastruktur besteht ein hoher Investitionsbedarf in den Bau von
Fazilitäten, die multifunktional sind und auf Qualität statt auf
überdimensionierte Quantität setzen. Der dafür benötigte Finanzrahmen ist
beträchtlich und vielleicht nur durch die Einbindung privater Investoren zu
bewerkstelligen. Und noch eines: Deutsche Messeunternehmen verlieren zunehmend
Marktanteile im weltweiten Messegeschäft - eine Entwicklung, die seit gut zehn
Jahren zu beobachten ist und sich durch die Pandemie weiter verschärft.

Die Bestandsaufnahme, die Jochen Witt zum Auftakt der FAMA-Messefachtagung
vornahm, war alles andere als leichte Kost für eine Messebranche, die
erfolgsverwöhnt ist. Witt, einst CEO der Köln Messe und viele Jahre Chairman und
Präsident des Messe-Weltverbandes (UFI), weiß, wovon er spricht. Sein
Consulting-Büro "jwc" berät seit 2008 internationale Messeunternehmen rund um
den Globus.

Deutsche Messeunternehmen verlieren Marktanteile im internationalen Geschäft

Erst vor wenigen Wochen hat das Kölner Beratungsunternehmen eine umfangreiche
Marktanalyse im Ranking der weltweit 40 umsatzstärksten Messeunternehmen
vorgelegt. Wer sie liest, der findet darin auch deutsche Unternehmen, aber nicht
immer dort, wo sie im Selbstverständnis eigentlich durchgängig erwartet werden -
in der globalen Spitzengruppe. Dort rangieren finanzstarke Unternehmen und
Messestandorte wie China ganz weit oben - ein Land, das inzwischen über das
größte Messegelände der Welt verfügt und derzeit auch beim Re-Start das
Tempo
bestimmt.

Dementsprechend rechnet Witt damit, dass China bereits 2022 wieder das
Vor-Pandemie-Niveau im Veranstaltungsgeschäft erreicht haben wird und sich damit
die äußerst dynamische Entwicklung im internationalen Vergleich fortsetzt: "Jede
internationale Veranstaltung, die in Deutschland nicht stattfindet, birgt die
Gefahr in sich, woanders wachstumsbeschleunigend zu wirken. Bereits seit einigen
Jahren beobachten wir den Trend, dass so genannte Nr. 1-Messen nicht mehr
zwingend an Standorten in Deutschland und Europa stattfinden." Vor diesem
Hintergrund sei der Begriff der sogenannten "Weltleitmesse" in weiten Teilen
obsolet, weil er einen Anspruch formuliert, der mehr über den eurozentrierten
Absender aussagt als über die tatsächliche Präsenz der globalen Community.

Regionale Messen erleben eine Renaissance

Stark steigend ist dagegen die Zahl der regionalen Fach- und Publikumsmessen,
die zunehmend eine Renaissance erleben - nicht erst seit der Pandemie, die zu
einem restriktiven Reiseverhalten geführt hat. Grund dafür sei vielmehr eine
Rückbesinnung auf die Region als regionale Lebenswelt und identitätsbildender
Raum, wie Roger Spindler hervorhob. Er sprach von der "progressiven Provinz" als
einer Dimension des gelebten Lebens, die im Zuge einer "Re-Urbanisierung" zur
sinnerfüllten Einheit werde, in der sich Menschen angesichts der globalen
Herausforderungen wiederfinden - nicht als Ort der Zuflucht, sondern als
Gestaltungsspielraum. Beispielhaft dafür ist die OLMA Messe St. Gallen, die von
Direktorin Christine Bolt als generationsübergreifendes Erfolgsmodell
vorgestellt wurde.

Kritik an geringer Halbwertzeit politischer Entscheidungen und Vorgaben

Deutliche Worte gab es zu den aktuellen politischen Entscheidungen und Vorgaben,
die ihre "Fahrt auf Sicht" seit über 18 Monaten fortsetze: "Wir stehen heute
dort, wo wir vor einem Jahr standen - mit dem Rücken zur Wand und mit einer
Perspektive vor Augen, die erneut keine Planungssicherheit über einen längeren
Zeitraum eröffnet", bringt der geschäftsführende FAMA-Vorstandsvorsitzende
Henning Könicke die aktuelle Lage und das Stimmungsbild der Messewirtschaft auf
den Punkt: "Schon jetzt zeichnet sich ab, dass durch das Inkrafttreten der neuen
Regelungen, die für Messen im Freistaat Bayern und in Baden-Württemberg einen 2G
plus-Nachweis vorsehen, die Durchführung von Veranstaltungen nahezu
verunmöglicht wird." Mit Unverständnis reagierte er darauf, dass für Messen
mit
Gangbreiten von bis zu sechs Metern ein 2G plus-Nachweis erforderlich sei,
währenddessen für die täglich zehn Millionen Fahrgäste im
öffentlichen
Nahverkehr ein 3G-Standard mit vereinzelten Stichproben von der Politik als
ausreichend angesehen werde.

Ausfall-Fonds von Bund und Ländern greifen zu kurz

Auf ein geteiltes Echo in Freiburg stieß der jüngst beschlossene Sonderfond
"SOMA", der als "Sonderfond des Bundes für Messen und Ausstellungen" die Risiken
für Veranstalter im Falle einer Absage reduzieren soll. Insgesamt 600 Millionen
stellt das Bundeswirtschaftsministerium dafür zur Verfügung. Abgesichert werden
damit bis zu 80 Prozent der Schäden, die aus einem möglichen
Veranstaltungsverbot resultieren, etwa für Miet- und Pachtkosten, für
Wareneinsätze und Dienstleister oder auch für Personal, Marketing und
Kommunikation - allerdings nur bis zu einer Grenze von acht Millionen Euro pro
Einzelfall.

"Das ist ein wichtiges Signal der Politik, auch wenn wir uns diese Initiative
bereits im vergangenen Jahr gewünscht hätten, als Veranstaltungen teilweise
wenige Tag vor Beginn behördlich verboten wurden und die betroffenen Unternehmen
leer ausgingen", so Könicke.

Jedoch biete SOMA nur bedingt Planungssicherheit, da die Hilfsmittel
ausschließlich im Fall eines behördlichen Veranstaltungsverbots abgerufen werden
können - nicht aber bei Auflagen wie beispielsweise einer 2G plus-Regelung, die
de facto die Durchführung einer Messe verunmöglicht.

Auch die Risiko-Minimierung für die ausstellende Wirtschaft, die in Vorleistung
geht und dafür verlässliche Regeln braucht, seien durch SOMA in keinster Weise
abgefedert. "Messen basieren auf Vertrauen. Und wer heute nicht abschätzen kann,
welche Regeln in vier Wochen gelten, der wird dieses Vertrauen nicht haben", so
Könicke.

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