FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Als Ganzes hat es das Segment weiter schwer. Einzelwerte kommen aber auf eine Top-Entwicklung, etwa ein Bohrdienstleister und ein Ölförderer. Immobilienunternehmen leiden derzeit hingegen. Die drei Fragen gehen diesmal an André Speth, CFO der Noratis AG.

19. April 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Klein schlägt groß - das gilt auch dieses Jahr nicht. Nach dem schwierigen Jahr 2022 hinkt das Scale-Segment mit Aktien von kleinen Unternehmen auch 2023 dem DAX hinterher. Der Scale All Share, der alle Mitglieder abbildet, liegt am Montagmorgen bei 1.262 Punkten und damit in etwa auf dem Niveau vor einem Monat. Seit Jahresanfang ergibt das ein kleines Plus von knapp 3 Prozent. Der DAX hat dagegen um fast 13 Prozent zugelegt.

Gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt? Humberto Nardiello, Aktienanalyst beim Vermögensverwalter Degroof Petercam DPAM, hat einen differenzierten Blick auf kleine Werte: "Smallcaps navigieren leichter durch die unterschiedlichen Wirtschaftszyklen, sie passen sich schneller an das makroökonomische Umfeld an." Weil Smallcaps von institutionellen Investoren und auch Medien deutlich weniger beachtet und analysiert würden, sei die Unternehmensführung häufig zugänglicher, der regelmäßige Austausch mit Anlegern habe Vorrang. Dies fördere ein besseres Verständnis zwischen Smallcap-Investoren und den Unternehmen. Allerdings mache die richtige Auswahl den Unterschied. Um eine Outperformance zu erzielen, müsse man die Qualität eines Unternehmens richtig einschätzen und Fallen vermeiden.

Zwischen 50 Prozent plus und 30 Prozent minus

Wie unterschiedlich sich Small Caps entwickeln, zeigt auch das Scale-Segment: Hinter dem Anstieg von knapp 3 Prozent im Index verbergen sich Kursgewinne um 50 Prozent seit Jahresanfang - wie etwa bei Mynaric (DE000A31C305) und Geratherm (DE0005495626) -, aber auch Kurverluste um 30 Prozent - wie etwa bei Pantaflix (DE000A12UPJ7) und Pyrum Innovation (DE000A2G8ZX8).

Auf Sicht von einem Jahr hat sich der Geothermiespezialist Daldrup & Söhne (DE0007830572) am besten entwickelt. Das Unternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Ascheberg hat sich auf Bohrungen spezialisiert, unter anderem zur Erschließung von Erdwärmeanlagen, und gilt daher als Profiteur der Energiewende. Der Kurs ist seit April 2022 von 6,38 auf 12 Euro gestiegen - fast eine Kursverdopplung. Ebenfalls gut entwickelt haben sich auf Zwölfmonatssicht die Beteiligungsgesellschaft SGT German Private Equity (DE000A1MMEV4), der Ölförderer Deutsche Rohstoff AG (DE000A0XYG76), Beta Systems Software (DE000A2BPP88) und der Düsseldorfer Streaming-Anbieter Cliq Digital (DE000A0HHJR3).

Deutsche Rohstoff: Hoher Ölpreis, hoher Aktienkurs

Die Deutsche Rohstoff AG, die schwerpunktmäßig Öl und Gas in den USA fördert, profitiert vom jüngsten Ölpreisanstieg. Die Opec+-Staaten hatten Anfang des Monats überraschend eine Kürzung der Ölfördermengen angekündigt. Der Preis für die US-Sorte WTI ist seit Mitte März von 66 auf 82 US-Dollar gestiegen. Deutsche Rohstoff meldete zudem gute Zahlen für das erste Quartal: Die Produktion lag rund 7 Prozent über den Erwartungen. Im Gesamtjahr soll sie auf ein Rekordhoch steigen. Die Aktie wird aktuell zu 28,70 Euro gehandelt, Mitte März waren es unter 25 Euro.

Cantourage: Kursplus trotz Legalisierung "light"

Die vergangene Woche beschlossene Legalisierung von Cannabis in Deutschland - wenn auch nur in einer abgeschwächten Form - sowie gute Umsatzzahlen haben unterdessen den Kurs von Cantourage (DE000A3DSV01) steigen lassen: Die Aktie kostet mittlerweile wieder 10,56 Euro, Anfang des Monats waren es noch 8,20 Euro. Nach vorläufigen Zahlen stieg der Umsatz des Anbieters von medizinischem Cannabis 2022 von 5,2 auf rund 14 Millionen Euro an. Auch das erste Quartal lief umsatzmäßig gut. "Die erfolgreichen vergangenen Monate zeigen, dass wir schon jetzt ein etablierter Akteur im Wachstumsmarkt für medizinisches Cannabis sind", erklärte CEO Philip Schetter. Cantourage war im November an die Börse gegangen. Der erste Preis lag bei 6,48 Euro. In der Spitze war der Kurs bis auf 42 Euro gestiegen.

Apontis Pharma: Kursverdreifachung angesagt?

Zu den Top-Performern in diesem Jahr gehört auch Apontis Pharma. Die Aktie des Pharmaunternehmens aus Monheim bei Düsseldorf stieg von 8 Euro Anfang des Jahres auf aktuell 10,85 Euro. Vergangene Woche gab der Anbieter von Kombinationspräperaten ("Single Pills") eine neue Entwicklungspartnerschaft mit Midas Pharma bekannt, ein Pharmaunternehmen aus Ingelheim. Ziel ist die Auftragsentwicklung einer Single Pill mit der Kombination aus zwei führenden Wirkstoffen gegen Bluthochdruck. Analysten halten die Aktie übrigens für stark unterbewertet: Sowohl Warburg Research als auch Montega und Hauck & Aufhäuser raten zum Kauf. Sie trauen der Aktie 29 Euro, 26 Euro beziehungsweise sogar 30 Euro zu.

Weitere Kursverluste - ohne ersichtlichen Grund - muss hingegen Formycon (DE000A1EWVY8) hinnehmen, Umsatzspitzenreiter im Scale-Segment. Die Aktie kostet aktuell 66,40 Euro, im Januar waren es in der Spitze fast 92 Euro. Das Unternehmen aus Martinsried bei München bietet Biosimilars an, also kostengünstige biopharmazeutische Nachfolgeprodukte, und will zu einem der führenden Biosimilar-Entwickler und -Hersteller werden.

Immobilientitel leiden

Schwer hat es derzeit die Immobilienbranche: Der kräftige Zinsanstieg, hohe Baukosten und die maue Konjunktur machen sich bemerkbar. Einige Unternehmen haben zudem mit spezifischen Problemen zu kämpfen, etwa Helma Eigenheimbau (DE000A0EQ578).Der Hausbauer als Lehrte bei Hannover leidet unter der Insolvenz von Natura-Holzbau, einem ehemals wichtigen Generalunternehmer. Helma meldete für 2022 einen Umsatzrückgang von 332 auf 303 Millionen Euro und einen Gewinneinbruch von 27 auf 3,5 Millionen Euro. Ebenfalls unter Druck sind Publity (DE0006972508), ein Finanzinvestor für Gewerbeimmobilien, Noratis (DE000A2E4MK4) (s. Interview) sowie die auf Immobilien spezialisierte RCM Beteiligungs AG (DE000A1RFMY4).

Formycon weiter umsatzstärkster Scale-Wert

Umsatzstärkster Scale-Wert im März war abermals Formycon, und zwar mit großem Abstand. Im abgelaufenen Monat wurden auf Xetra und dem Frankfurter Parkett Aktien des Unternehmens im Wert von 28,5 Millionen Euro gehandelt. Auf den Plätzen zwei bis fünf folgen Cliq Digital mit 9,3 Millionen Euro, 2G mit 7,5 Millionen Euro, Exasol mit 6,1 Millionen Euro und Mensch & Maschine mit 5,7 Millionen Euro. Auch seit Jahresanfang hat Formycon die Nase vorn, der Umsatz beläuft sich für die ersten drei Monate auf insgesamt 68 Millionen Euro.

Drei Fragen an: André Speth, CFO der Noratis AG

An der Börse lief es für Noratis 2022 nicht so gut, auch dieses Jahres sieht es nicht viel besser aus. Ist das nur auf die steigenden Zinsen zurückzuführen?

Der starke Zinsanstieg kombiniert mit einer hohen Zinsvolatilität sind sicherlich Hauptgründe. Hinzu kommen Belastungen aus notwendigen energetischen Sanierungen. Insofern besteht eine hohe Unsicherheit bezüglich der künftigen Preisentwicklung, was den Transaktionsmarkt nahezu zum Erliegen gebracht hat. Als Bestandsentwickler sind wir auf einen funktionierenden Transaktionsmarkt angewiesen, auch wenn wir weniger stark betroffen sind als beispielsweise Projektentwickler.

Auf der einen Seite könnten Mietausfälle zu einem wachsenden Problem werden, auf der anderen könnten sich durch Preisrückgänge am Immobilienmarkt auch Chancen ergeben. Welcher Faktor überwiegt?

Wir blicken zuversichtlich in die Zukunft. Die Inflation ist rückläufig, und die Leitzinsen steigen weniger schnell. Trotz der allgemein angespannten Lage der Wirtschaft und der Energiekrise haben wir 2022 keine signifikante Erhöhung von Mietausfällen verzeichnet. Die rückläufige Preisentwicklung am Immobilienmarkt nehmen wir wahr, um Investitionen zu tätigen und sich ergebende Marktchancen erfolgreich zu nutzen.

Aus Anlegersicht: Was spricht für Ihre Aktie?

Unser Markt ist sehr attraktiv: hohe Nachfrage, bei gleichzeitig zurückgehendem Angebot. Durch den Einbruch beim Neubau und zugleich gestiegener Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum leisten wir einen gesellschaftlichen Beitrag. Wir schaffen und erhalten dringend benötigten erschwinglichen Wohnraum. Das Geschäftsmodell der Noratis AG wird auch künftig sehr gefragt sein.

Die Noratis AG ist Bestandsentwickler von Wohnimmobilien in Deutschland. Schwerpunkt ist die Aufwertung älterer Wohnimmobilien, meist Werkswohnungen, Quartiere und Siedlungen in Städten ab 10.000 Einwohnern sowie in Randlagen von Ballungsgebieten. Nach erfolgreicher Entwicklung bleiben die Objekte im Bestand oder werden mittelfristig an Investoren beziehungsweise an bestehende Mieter, Kapitalanleger und Selbstnutzer veräußert.

von: Anna-Maria Borse © 18. April 2023, Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)