Auf wessen Girokonto nicht regelmäßigen mindestens 700 pro Monat eingehen, der müsse ab Mai monatlich 4,90 Euro zahlen, sagte Vorstandschef Nick Jue am Donnerstag auf der Bilanzpressekonferenz in Frankfurt. Er wolle damit einen Anreiz dafür schaffen, dass sich möglichst viele inaktive Kunden für ING als Hausbank entscheiden. Menschen unter 28 Jahren sowie Kunden mit einem Basiskonto seien von der Gebühr ausgenommen. "Damit ändert sich für drei Viertel unserer Kunden nichts", sagte Jue. Ende 2019 zählte ING Deutschland 2,8 Millionen Girokonten, 15 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Für die Bank, die unter dem Namen ING-DiBa mit kostenlosen und gut verzinsten Tagesgeldkonten groß geworden war, ist der Abschied vom kostenlosen Girokonto eine Strategiewende. "Wir wollen mehr sein als nur die kostenlose Alternative", sagte Jue. Es werde immer wichtiger, aktive, langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen.

Denn die niedrigen Zinsen setzen auch der erfolgsverwöhnten Direktbank mit ihren inzwischen 9,5 (Vorjahr: 9,3) Millionen Kunden zu. Um gegenzusteuern, baut ING Deutschland das Kredit- und Wertpapiergeschäft aus. 2019 steigerte sie den Gewinn vor Steuern um zwei Prozent auf 1,35 Milliarden Euro. Finanzchef Norman Tambach sagte, die Bank habe dabei von der Auflösung von Rückstellungen für faule Kredite profitiert. Der Zinsüberschuss, bisher die wichtigste Einnahmequelle, schrumpfte dagegen um drei Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. "Wir können sehr zufrieden sein", bilanzierte Jue. "Aber es wird nicht einfacher, profitabel zu wachsen."

ING DEUTSCHLAND PLANT "MOMENTAN" KEINE STRAFZINSEN

Obwohl die Bank Bestandskunden auf die Einlagen auf ihren Tagesgeldkonten nur noch 0,001 Prozent Zinsen zahlt, stiegen die Kundeneinlagen auf 139 (2018: 138) Milliarden Euro. Man bereite sich auf unterschiedliche Szenarien für den Fall vor, dass ING von Einlagen überschüttet werde, wenn Konkurrenten Strafzinsen einführen, sagte Jue. "Momentan haben wir keine Plan, Negativzinsen einzuführen." Banken versuchen die überschüssige Liquidität möglichst gering zu halten, da die Europäische Zentralbank (EZB) von ihnen Strafzinsen verlangt, wenn sie über Nacht bei ihr Geld parken.

Bremsspuren zeigten sich bei der ING Deutschland in dem seit einigen Jahren florierenden Firmenkundengeschäft, das um vier Prozent schrumpfte. Man sei bei der Kreditvergabe selektiver vorgegangen, erklärte Tambach.

Auch die niederländische Muttergesellschaft kämpft mit den niedrigen Zinsen. "Preisdisziplin und Wachstum halfen uns, den Druck durch die Negativzinsen abzufedern", sagte Vorstandschef Ralph Hamers am Donnerstag. Die Kosten seien 2019 dennoch um 4,5 Prozent gestiegen, vor allem weil die größte Bank der Niederlande viel Geld für regulatorische Anforderungen in die Hand nehmen musste. Mit der verschärften Geldwäsche-Überwachung ihrer Kunden zog sie die Konsequenzen aus einer 900-Millionen-Dollar-Strafe im Jahr 2018. ING zählt weltweit 13,3 Millionen Kunden, die mindestens zwei ihrer Produkte nutzen.

Im vierten Quartal sank der Gewinn vor Steuern um 21 Prozent auf 1,34 Milliarden Euro und lag damit weit unter den Prognosen der Analysten. Grund dafür sei ein Anstieg der Risikovorsorge nach einem Betrugsfall in Asien. Trotzdem stieg die ING-Aktie am Donnerstag um 2,6 Prozent.