(Neu: Weitere Aussagen zu Short-Positionen im 2. Absatz, Schlusskurse)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die zuletzt gebeutelte Deutsche-Bank-Aktie hat sich am Freitag trotz neuer Hiobsbotschaften zumindest etwas erholt. Offenbar seien alle denkbaren negativen Nachrichten im Kurs eingepreist, und "Schnäppchenjäger unter den Investoren sehen jetzt eher wieder die Chancen", erklärte Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect Bank die deutliche Erholung der Aktie.

Andere Börsianer verwiesen darauf, dass Anleger mit Wetten auf einen fallenden Aktienkurs ihre Short-Positionen nach den jüngsten Kursverlusten offensichtlich wieder aufgelöst hätten. Diese hätten am Donnerstag 5,1 Prozent aller umlaufenden Aktien betroffen, was der höchste Wert seit einem Jahr sei, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Daten des britischen Finanzdatenanbieters IHS Markit.

Zudem profitierte die Aktie vor dem Wochenende von der sichtbaren Branchenerholung infolge der Entspannung der politischen Lage in Italien. An den Finanzmärkten mache sich Erleichterung breit, da sich nach drei Monaten politischem Chaos nun doch eine reguläre Regierungsbildung in Rom abzeichnet. Die Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und rechtspopulistischer Lega unter Führung des parteilosen Juristen Giuseppe Conte soll am Nachmittag vereidigt werden.

Letztlich stieg die Aktie des größten deutschen Geldhauses am Freitag um 2,76 Prozent auf 9,410 Euro. Damit gehörte sie zu den Favoriten der Anleger im freundlichen deutschen Leitindex Dax. Am Donnerstag war sie bei 9,066 Euro noch auf den niedrigsten Stand seit ihrem Rekordtief bei 8,834 Euro im Oktober 2016 abgerutscht. Besser als die Deutsche Bank-Aktie schlug sich am Freitag nur das ebenfalls zuletzt stark gefallene Papier der Commerzbank, das nach dem am Donnerstag markierten Tief seit April 2017 um 4,83 Prozent zulegte.

Mit Kursverlusten von 40 beziehungsweise 27 Prozent seit Jahresbeginn haben indes die Eigentümer beider Titel kaum Grund zur Freude. Keine andere Aktie im Dax hat in diesem Zeitraum schlechter abgeschnitten. Am Donnerstag hatten Medienberichte die Deutsche Bank auf Talfahrt geschickt. Demnach soll die US-Notenbank (Fed) die amerikanische Tochter des Instituts schon vor einem Jahr zum Problemfall erklärt und die US-Einlagensicherung diese wahrscheinlich auf die Liste sogenannter Problembanken aufgenommen haben.

Am Freitag senkte dann auch noch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) den Daumen: Die Bonitätswächter stuften das langfristige Emittentenrating für das Bankhaus um eine Stufe von auf "BBB+" herunter. Somit könnte es für die Bank mittelfristig teurer werden, sich am Markt Geld zu besorgen. Die gute Nachricht sei immerhin, dass die Deutsche Bank noch nicht im Ramschbereich gesehen werde, sagte ein Händler. Auch eine Klage gegen das Institut in Australien konnte dem Aktienkurs vor dem Wochenende nichts anhaben.

"Es darf nicht vergessen werden, dass das größte deutsche Finanzhaus in den letzten Jahren viele Altlasten beseitigt hat und nun wesentlich besser dasteht als noch vor vier Jahren", schrieb Comdirect-Experte Lipkow. Angesichts des hohen Konsolidierungsdrucks in der Branche würde er einige strategische Zusammenschlüsse nicht ausschließen. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Spekulationen über ein Zusammengehen der Deutschen Bank mit der ebenfalls angeschlagenen Commerzbank gegeben; auch andere Konstellationen waren im Gespräch. Bewahrheitet hat sich davon bisher aber keine.

Analyst Daniel Regli vom Investmenthaus Mainfirst brach ebenfalls eine Lanze für die Deutsche Bank: Angesichts der soliden Kapitalausstattung und Liquidität glaube er nicht, dass der Bank ein Schicksal wie Lehman Brothers drohe, betonte der Experte. Zudem dürfte die Bundesregierung im Notfall einspringen. Dagegen hatte die US-Regierung 2008 auf eine Unterstützung der angeschlagenen amerikanischen Investmentbank verzichtet. Die daraus resultierende Lehman-Pleite war ein Auslöser für die anschließende Finanzkrise, die weltweit für Verwerfungen sorgte.

Auch die Deutsche Bank selbst hob ihre Stärke hervor. "Auf Konzernebene steht unsere Finanzstärke außer Frage", schrieb der neue Vorstandschef Christian Sewing in einer Botschaft an die Mitarbeiter. "Unsere Kredit- und Marktrisiken sind so gering wie selten. Spekulationen darüber, dass uns durch die politische Unsicherheit in Italien erhebliche Belastungen drohen könnten, sind vollkommen unbegründet."

Regli wies zudem darauf hin, dass die US-Notenbank die US-Tochter der Deutschen Bank den Medienberichten zufolge bereits vor einem Jahr zum Problemfall erklärt hatte. Es stelle sich die Frage, wieso das nun unmittelbar zu einer Bedrohung für den Mutterkonzern werden sollte. Allerdings habe die Deutsche Bank angesichts operativer Herausforderungen kurz- bis mittelfristig ein Problem mit der Gewinnentwicklung, betonte der Mainfirst-Experte. Er bewertet die Aktie weiter mit "Neutral" und einem Kursziel von 10 Euro.

Andere Analysten klangen indes deutlich kritischer. Seit ihrer Ersteinschätzung im Juni vergangenen Jahres habe sie gedacht, dass es für die Großbank nicht schlimmer kommen könne, schrieb etwa Anke Reingen vom Analysehaus RBC Capital. Dies habe sich als Trugschluss erwiesen. Die Meldungen, wonach das US-Geschäft als Problemfall gelte, hätten die Sorgen nur vergrößert. Die Aufsichtsbehörden könnten bei der Restrukturierung der Bank nun langsam die Geduld verlieren. Reingen stufte die Aktie auf "Underperform" ab und senkte das Kursziel auf 8 Euro, womit sie offensichtlich neue Rekordtiefs erwartet.

Es sei schwer prognostizierbar, wie sich die Deutsche Bank angesichts all der negativen Nachrichten sowie der schwachen operativen Entwicklung aus der Abwärtsspirale befreien könne, gab Experte Christian Koch von der DZ Bank zu bedenken. Zwar werde die Aktie schon mit einem erheblichen Abschlag zum Buchwert gehandelt. Doch wegen der drastisch gestiegenen Unsicherheit und höheren Eigenkapitalkosten strich er seine Kaufempfehlung und senkte den fairen Wert auf 9,50 Euro./gl/zb/jha/she