(neu: Erklärung Militär, Pompeo)

CARACAS (dpa-AFX) - Im eskalierenden Machtkampf in Venezuela bringen sich die sozialistische Regierung von Staatschef Nicolás Maduro und die Opposition um den selbst ernannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó in Stellung. "Die Streitkräfte werden niemals einen Präsidenten akzeptieren, der von dunklen Mächten eingesetzt wird, oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt", sagte Verteidigungsminister Vladimir Padrino am Donnerstag. "Wir erkennen unseren Chefkommandeur Nicolás Maduro als legitimen Präsidenten an."

Guaidó bedankte sich in aller Welt für die Unterstützung. Nachdem er sich am Mittwoch vor jubelnden Anhängern zum Interims-Präsidenten erklärt hatte, wurde er binnen Minuten von den USA anerkannt. Die EU, der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten und zahlreiche lateinamerikanische Länder zogen nach. Kuba, Bolivien und Nicaragua sowie Russland, der Iran und die Türkei hingegen halten weiter zu Maduro.

Angesichts der Pattsituation warnte das venezolanische Militär vor einer gewalttätigen Lösung des Konflikts. "Ein Bürgerkrieg wird die Probleme Venezuelas nicht lösen", sagte Verteidigungsminister Vladimir Padrino. Es bedürfe eines Dialogs zwischen der Regierung und der Opposition, "denn ein Krieg ist nicht unsere Wahl, sondern ein Instrument vaterlandsloser Gesellen, die nicht wissen, was das bedeutet."

Ob der Machtwechsel in Caracas tatsächlich gelingt, dürfte entscheidend davon abhängen, ob Guaidó zumindest Teile der Streitkräfte auf seine Seite ziehen kann. "Sicher ist: Das Militär im Land ist gespalten", sagte der ehemalige Handels- und Industrieminister Moisés Naím am Donnerstag auf der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos. Ein Teil der Streitkräfte sei "sehr, sehr unglücklich" mit der Lage im Land. "Allerdings steht das Militär unter straffer Kontrolle", ergänzte er. Ein wichtiger Faktor im Land sei der Einfluss Kubas. Venezuela drohe zum Spielball geopolitischer Konflikte zu werden.

Bei den Massenprotesten am Mittwoch war es bereits zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Die Polizei feuerte Tränengasgranaten und Gummigeschosse in die Menge. Vermummte Demonstranten schleuderten Steine auf die Beamte. Nach Angaben der Beobachtungsstelle für soziale Konflikte kamen bei den Krawallen 16 Menschen ums Leben.

US-Außenminister Mike Pompeo forderte das Militär in Venezuela zum Schutz von Guaidó auf. Vor der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington betonte Pompeo am Donnerstag: "Das Regime des früheren Präsidenten Nicolás Maduro ist nicht legitim. Wir betrachten daher alle seine Erklärungen und Handlungen als illegitim und ungültig." Pompeo warnte "Überbleibsel des Maduro-Regimes" davor, "die friedliche demokratischen Übergang zu unterdrücken".

Pompeo stellte Venezuela unter Guaidós Regierung humanitäre Hilfslieferungen in Aussicht, sobald das logistisch möglich sei. Die USA seien bereit, 20 Millionen Dollar für Lebensmittel und Medizin zu schicken, sagte er.

Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte: "Die Bevölkerung Venezuelas setzt sich mutig für eine freie Zukunft des Landes ein". Dafür brauche es nun einen politischen Prozess, der in freie und glaubwürdige Wahlen münde, schrieb er am Donnerstag auf Twitter. "Dabei kommt der demokratisch gewählten Nationalversammlung eine besondere Rolle zu."

Ähnlich äußerte sich auch die Europäische Union in Brüssel. Die EU unterstütze die von Guaidó geführte Nationalversammlung "als demokratisch gewählte Institution, deren Befugnisse wiederhergestellt und respektiert werden müssen", erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Ein politischer Prozess müsse "zu freien und glaubwürdigen Wahlen" führen, "im Einklang mit der Verfassung." EU-Ratspräsident Donald Tusk schrieb auf Twitter: "Im Gegensatz zu Maduro verfügt das Parlament, Juan Guaidó eingeschlossen, über ein demokratisches Mandat der venezolanischen Bürger."

Russland verurteilte dagegen am Donnerstag die US-Unterstützung für Guaidó. "Diese sofortige Anerkennung zielt nur darauf ab, die Spaltung der Gesellschaft von Venezuela und die Destabilisierung der innenpolitischen Situation zu verstärken", teilte das Außenministerium in Moskau mit. Washington vernachlässige die Normen und Grundsätze des Völkerrechts. China rief im Machtkampf in Venezuela zur Zurückhaltung auf und warnte besonders die USA vor einer Einmischung. Alle Seiten lehnten entschieden eine militärische Intervention in Venezuela ab, sagte Außenamtssprecherin Hua Chunying. Auch Sanktionen würden nicht helfen, "praktische Probleme zu lösen".

Venezuela, das rund 30 Millionen Einwohner hat, steckt seit langem in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Viele Regierungsgegner sitzen in Haft oder leben im Exil. Wegen eines Mangels an Devisen kann das einst reiche Land kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. Rund drei Millionen Venezolaner sind schon ins Ausland geflohen./cy/dde/ari/DP/jha