(neu: Reaktion Iran)

BEIRUT (dpa-AFX) - Bei einer Explosion in Beirut ist der stellvertretende Leiter des Politbüros der islamistischen Hamas, Saleh al-Aruri, ums Leben gekommen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Hisbollah-Miliz nach der Explosion am Dienstagabend. Auch der Hisbollah-nahe Fernsehsender Al-Manar berichtete, dass Al-Aruri tot sei. Insgesamt wurden mindestens sechs Menschen getötet, wie die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete.

Die Explosion ereignete sich vor einem Büro der Hamas und Polizeikreisen zufolge in einem südlichen Stadtteil Beiruts, in dem die Hisbollah stark vertreten ist. Die genauen Hintergründe der Explosion blieben zunächst unklar. Schnell kam aber der Verdacht auf, dass es sich um eine gezielte Tötung handeln könnte - möglicherweise durch Israels Armee oder im Auftrag Israels. Israels Militär kommentierte die Berichte auf Anfrage nicht.

Der libanesische Militärexperte und frühere General Chalil Hilo bezeichnete die Situation unterdessen als "sehr gefährlich". Die Hisbollah werde einen "Angriff in ihrer Hochburg in Beirut nicht tolerieren".

Al-Aruri, den Israel als Drahtzieher von Anschlägen im Westjordanland sah, galt schon länger als mögliches Ziel für einen Anschlag. Er soll für die Aktivitäten des militärischen Hamas-Arms im Westjordanland zuständig gewesen sein. Israel und die Hamas hatten im Sommer - schon vor Beginn ihres laufenden Kriegs - Drohungen ausgetauscht. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte dabei, Al-Aruri wisse "sehr genau, warum er und seine Freunde sich versteckt halten".

Augenzeugen sagten, zunächst sei ein Gebäude vom Angriff einer Drohne getroffen worden und dann ein Auto, aus dem Zivilschützer nach dem Brand eine verkohlte Leiche zogen. Libanesische Medien berichteten, Al-Aruri sei in einer Wohnung getötet worden. Aus Hamas-Quellen hieß es, in der Gegend habe eine Palästinensergruppe am Abend ein Treffen abgehalten.

Videos nach der Explosion in Beirut zeigten mindestens ein brennendes Auto nahe einer belebten Straße. Auch Sirenen von Krankenwagen waren zu hören. Über der Gegend stieg weißer Rauch auf, auf der Straße lagen Glassplitter. Bald darauf versammelten sich Hunderte Anhänger der Hisbollah in der Gegend.

Danny Danon, ranghohes Mitglied der Likud-Partei, der auch Israels Regierungschef Netanjahu angehört, gratulierte Israels Militär, Geheimdiensten und Sicherheitskräften auf X zur Tötung Al-Aruris in Beirut. Alle am Massaker am 7. Oktober Beteiligten sollten wissen, dass Israel sie erreichen werde, schrieb er. Israelischen Medienberichten zufolge hat der israelische Kabinettssekretär den Ministern untersagt, sich zu dem Vorfall zu äußern. Der rechtsextreme israelische Finanzminister Bezalel Smotrich schrieb auf X: "Alle deine Feinde werden umkommen, Israel."

Der geschäftsführende libanesische Premierminister Nadschib Mikati sprach von einem "israelischen Verbrechen, das den Libanon auf jeden Fall in eine neue Phase der Konfrontationen führen will". Zwischen Israels Armee und der Hisbollah kommt es seit Beginn des Gaza-Kriegs vor bald drei Monaten zunehmend zu mitunter tödlichen Konfrontationen nahe der gemeinsamen Grenze.

Irans Außenamtssprecher Nasser Kanaani machte Israel für den Tod des Hamas-Vertreters verantwortlich und verurteilte die mutmaßliche Attacke. Sie sei "Ergebnis der Verzweiflung und einer schweren und irreparablen Niederlage gegen palästinensische Widerstandsgruppen", sagte Kanaani laut einer Mitteilung seines Ministeriums. Kanaani forderte zudem eine Reaktion durch den UN-Sicherheitsrat.

Al-Aruri war Berichten zufolge 58 Jahre alt und verbrachte insgesamt zwölf Jahre in israelischen Gefängnissen vor seiner Freilassung 2010. Er genoss Privilegien als Gesprächspartner von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, der sich kaum öffentlich zeigt. Al-Aruri soll auch einer der Unterhändler gewesen sein für die Freilassung von Geiseln aus Gewalt der Hamas vergangenen Monat. Israels Armee hatte Al-Aruris Haus im Westjordanland Ende Oktober zerstört.

Die Explosion ereignete sich am Abend vor dem 3. Jahrestag der Tötung von General Ghassem Soleimani der iranischen Revolutionswächter (IRGC). Die USA hatten ihn 2020 im Irak durch einen Drohnenangriff getötet. Kürzlich war zudem der ranghohe iranische General Sejed-Rasi Mussawi bei einem mutmaßlich israelischen Luftangriff in Syrien getötet worden. Zu dem Jahrestag war für Mittwoch eine Rede Nasrallahs angekündigt./jot/DP/stw