London (Reuters) - Nach ihrem Corona-bedingten Rekordabsturz hat die britische Wirtschaft im Sommer wieder kräftig Boden gutgemacht.

Das Bruttoinlandsprodukt wuchs von Juli bis September um 15,5 Prozent zum Vorquartal und damit so schnell wie noch nie, wie das Statistikamt in London am Donnerstag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten sogar mit einem noch etwas größeren Plus von 15,8 Gerechnet, nach einem Rekordeinbruch von fast 20 Prozent im Vorquartal. "Diese Zahlen zeigen, dass sich unsere Wirtschaft im Sommer erholte", sagte Finanzminister Rihsi Sunak. Die Aussichten sind allerdings trübe - zum einen wegen des erneuten Lockdowns, zum anderen durch einen drohenden harten Brexit am Jahresende.

"Großbritanniens Covid-Krise und ihre Erholungsphase werden viel länger dauern, als viele Menschen zunächst dachten", sagte Forschungsdirektor James Smith vom Institut Resolution Foundation. Er warnte die Regierung davor, ihre Konjunkturhilfen zu früh zurückzuschrauben. Finanzminister Sunak hat Nothilfen und Steuersenkungen von mehr als 200 Milliarden Pfund (gut 223 Milliarden Euro) durchgesetzt. Zudem hat die Zentralbank das Volumen ihres Wertpapierkaufprogramms um 150 Milliarden auf 895 Milliarden Pfund erhöht, um mit billigem Geld die Konjunktur anzukurbeln.

Dennoch geht die Bank of England inzwischen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im laufenden vierten Quartal um zwei Prozent sinken wird. Für das gesamte Jahr 2020 rechnet sie jetzt mit einem noch nie dagewesenen Konjunktureinbruch von elf Prozent. Die vor wenigen Tagen verhängten Kontaktbeschränkungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie treffen in erster Linie den Dienstleistungssektor, der in Großbritannien besonders groß ist und etwa 80 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht.

Wie es im kommenden Jahr weitergeht, hängt auch vom Ausgang der Brexit-Verhandlungen der mit Europäischen Union ab. "Zwar wird es selbst mit einem Abkommen zwischen London und Brüssel noch zu sehr spürbaren Belastungen der Wirtschaft des Vereinigten Königreiches kommen", sagte NordLB-Ökonom Tobias Basse. "Sollte ein harter Brexit aber wirklich nicht mehr abgewendet werden können, wäre zum Start des neuen Jahres mit einem absolut unnötigem ökonomischen Chaos auf der Insel zu rechnen." Dies könne den erwarteten Aufschwung 2021 abwürgen. "Angesichts des schon jetzt schwierigen ökonomischen Umfeldes muss es eigentlich im Interesse der Regierung in London sein, kurzfristig doch noch einen Deal auszuhandeln, der zumindest die härtesten drohenden Belastungen für die britische Wirtschaft sinnvoll abfedert", sagte Basse.

Über die künftigen Beziehungen zueinander samt Freihandelsabkommen wird seit Monaten gerungen - bislang ohne Ergebnis. Sollte der Vertrag nicht bis Jahresende stehen, würde Großbritannien ohne Abkommen aus der EU ausscheiden - weshalb die Wirtschaft ab Anfang 2021 Chaos und steigende Zölle befürchtet.