Warschau (Reuters) - Dem polnischen Zentralbankchef Adam Glapinski droht nach Vorwürfen zu Regelverstößen durch die Regierung bald ein Gerichtsverfahren, das zu seiner Absetzung führen könnte.

"Der Antrag auf ein Staatstribunal für den Gouverneur der polnischen Nationalbank ist fertig und wird in den kommenden Tagen (einer Parlamentskommission) vorgelegt", sagte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Die neue Regierung unter Tusk wirft dem Finanzmanager vor, er habe die Unabhängigkeit der Notenbank untergraben, die Geldpolitik zugunsten der langjährigen PiS-Regierung ausgestaltet und womöglich gegen Verfassungsregeln verstoßen. Glapinski ist seit Mitte 2016 Gouverneur der Narodowy Bank Polski (NBP) und weist die Beschuldigungen zurück.

Die Einleitung eines Verfahrens, das zur Absetzung des Notenbankchefs führen könnte, birgt jedoch Risiken. Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hatte Glapinski in einem Brief mitgeteilt, dass er einen solchen Schritt vor das oberste Gericht der EU bringen könnte. Die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der EZB biete Schutz, um die Unabhängigkeit der Gouverneure der nationalen Zentralbanken zu gewährleisten.

Die PiS war zwar bei der Parlamentswahl im Oktober stärkste Kraft geblieben, Tusks Dreier-Allianz aus seinem liberal-konservativen Wahlbündnis Bürgerkoalition (KO) zusammen mit dem "Dritten Weg" und der "Neuen Linken" hatte jedoch die Mehrheit errungen. Präsident Andrzej Duda hatte den allgemein erwarteten Machtwechsel noch verzögert und anfangs dem bisherigen Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der PiS den Auftrag erteilt, eine Regierung zu bilden. Dies scheiterte und Tusk wurde als Ministerpräsident vereidigt. Experten gehen davon aus, dass das Regieren für Tusk nicht allzu leicht werden dürfte. Denn er will einen pro-europäischen Kurs fahren und viele Beschlüsse aus Zeiten der PiS-Regierung rückgängig machen.

(Bericht von Alan Charlish, Pawel Florkiewicz, Marek Strzeleck, geschrieben von Birgit Mittwollen, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)