Aktionärsvertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) und der Vereinigung Institutionelle Privatanleger (VIP) sowie mehrere Einzelaktionäre kündigten an, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten. Aufsichtsratschef Eckhard Cordes erklärte dagegen, Bilfinger gehe es inzwischen eindeutig besser, als es von Kommentatoren dargestellt werde.

Ein Rekordverlust von einer halben Milliarde 2015, keine Dividende, vier Vorstandschefs in zwei Jahren und die Halbierung des Aktienkurses seit Ausbruch der Krise, interne Ermittlungen zu Korruptionsfällen in Nigeria vor Jahren - die Aktionäre hatten eine lange Liste von Beschwerden. Auch äußerten einige Misstrauen gegen den Aufsichtsratschef, der einer von zwei Vertretern des Großaktionärs Cevian im Kontrollgremium ist. Zudem sorgten die Vorschläge zur Aufsichtsratswahl für Unmut. Denn kurz vor der Versammlung stellten zwei bisherige Vertreter der Eignerseite, Hans Peter Ring und John Feldmann, ihre Ämter zur Verfügung. Zu letzterem erklärte Cordes, er sei mit der Strategie nicht einverstanden gewesen, nannte aber keine Einzelheiten.

Bilfinger steht vor der Zerschlagung, denn womöglich wird mit dem Bau- und Immobilienservicegeschäft eins von zwei verbliebenen Geschäftsfeldern verkauft. Cevian, deren Investment nach dem massiven Aktienkursrückgang stark an Wert verlor, treibe den Verkauf voran, um Kasse zu machen, hieß es aus Aufsichtsratskreisen. Feldmann sei dagegen gewesen.

Fast der gesamte Aufsichtsrat und Vorstand wurden innerhalb kurzer Zeit ausgewechselt. Vor einem Monat trat Vorstandschef Per Utnegaard nach nur elf Monaten im Amt überraschend ab. Cordes bekräftigte, dies habe rein persönliche Gründe. Zugleich brachte er zur Sprache, dass der in der Schweiz wohnende Norweger "auffällig" hohe Reisekosten abgerechnet, diese nach einer Prüfung jedoch selbst beglichen habe. Das sei aber kein Grund, Utnegaard die Entlastung zu verweigern, sagte Cordes.

Der neue Vorstandschef Thomas Blades nahm an der Hauptversammlung nicht teil, da er noch bei seinem bisherigen Arbeitgeber Linde als Vorstand unter Vertrag steht. Er tritt frühestens im Juli an. Aktionäre äußerten Zweifel, ob der Ölexperte der Richtige sei und länger bei Bilfinger bleiben werde. Der Brite sei hervorragend geeignet und wisse genau, was auf ihn zukomme, sagte Cordes.

STRATEGIE BLEIBT FRAGLICH

DSW-Vertreter Tüngler forderte Cordes auf, Klarheit über die Strategie zu schaffen. Denn kaum hatte Utnegaard die Zwei-Säulen-Strategie mit den Sparten Industrie sowie Bau- und Immobiliendienste Ende vergangenen Jahres verkündet, wurde sie im Januar schon wieder infrage gestellt. Wegen Kaufangeboten prüft Bilfinger seither, das stabile Bau- und Immobiliengeschäft zu verkaufen. Der Konzern würde damit halbiert. Die Entscheidung darüber in zwei bis drei Wochen fallen.

Bilfinger steckt seit zwei Jahren in der Krise, die den früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch den Job des Vorstandschefs kostete. Ausgangspunkt war der Einbruch des Kraftwerksgeschäfts durch die Energiewende in Deutschland, den Ölpreisrückgang und auch durch eigene Managementfehler. Nach dem Rekordverlust soll sich die Lage 2016 zumindest bessern. Im ersten Quartal schrieb der MDax-Konzern nach Steuern jedoch mit einem Verlust von 76 Millionen Euro weiter tiefrote Zahlen. Die Aktie verlor zeitweise fast drei Prozent.

Die verlustreiche Kraftwerkssparte "Power" versucht Bilfinger, noch 2016 zu verkaufen. Ein neues Sparprogramm, das die Streichung einer noch nicht bekannten Stellenzahl in der Mannheimer Zentrale und der Industriesparte umfasst, soll in ein bis zwei Jahren die Kosten um 100 Millionen Euro im Jahr drücken. Sollte das Bau- und Immobiliengeschäft zu Geld gemacht werden, würde der Traditionskonzern die letzten Wurzeln zu seinem über 130 Jahre alten Baugeschäft kappen und sich fast halbieren. "Es ist ungewiss, ob es Bilfinger im nächsten Jahr noch gibt. Bei einem Verkauf von Building und Facility bleibt nicht mehr viel übrig von der einst erfolgreichen stolzen Firma Bilfinger und Berger", sagte Axel Bock, pensionierter Bilfinger-Mitarbeiter und Kleinaktionär.