PARIS/LONDON (awp international) - Die US-Notenbank (Fed) hat am Donnerstag an Europas Börsen für Erleichterung gesorgt. Nachdem sich die Anleger zuvor vorsichtiger positioniert hatten, erfüllten die Währungshüter nun am Vorabend mit ihren Zinssignalen grösstenteils die Erwartungen. Investoren begrüssten die jetzt klareren geldpolitischen Perspektiven. Die an diesem Donnerstag bekannt gewordenen geldpolitischen Entscheidungen der Notenbanken der Schweiz und Grossbritanniens sowie der Europäischen Zentralbank (EZB) hingegen bewegten die Märkte nicht nachhaltig.

Der EuroStoxx zog um 1,01 Prozent auf 4201,87 Punkte an. Für den französischen Cac 40 ging es um 1,12 Prozent hoch auf 7005,07 Zähler. Der britische FTSE 100 gewann 1,25 Prozent auf 7260,61 Punkte.

Die US-Notenbank hatte wie erwartet eine schnellere Rückführung der Anleihekäufe angekündigt und etwas unerwartet sogar Signale für drei Zinserhöhungen im kommenden Jahr gegeben. Das schnellere Tempo resultiere aus dem erwarteten starken Wirtschaftswachstum, das laut Fed-Chef Powell trotz der neuen Coronavirus-Variante Omikron erreicht werden sollte, schrieb die Landesbank Baden-Württemberg. Auf dieses Wachstums-Szenario setzten die Anleger. Am Vorabend hatten die tonangebenden US-Börsen schon spät angezogen.

Die EZB lässt ihr Corona-Notkaufprogramm für Anleihen im kommenden Jahr auslaufen. Ein Ende des Zinstiefs aber ist im Euroraum nicht in Sicht. Die britische Notenbank hingegen stemmt sich gegen die hohe Inflation und hebt überraschend ihren Leitzins erstmals in der Corona-Pandemie an. Die Schweizerische Nationalbank wiederum tastet die Zinsen nicht an und führt damit ihre sehr expansive Geldpolitik fort.

Die nunmehr unter dem Strich deutlich aufgehellte Börsenstimmung liess sich an dem europäischen Branchentableau ablesen. Mit Ausnahme des als defensiv angesehen Immobiliensektors verzeichneten alle Branchen Gewinne.

Am attraktivsten präsentierten sich der Öl- und Gassektor sowie die Rohstoffbranche mit Aufschlägen von 2,8 beziehungsweise 2,7 Prozent. Der ebenfalls als sehr konjunktursensibel geltende Bankensektor stieg um 2,3 Prozent. Hier sorgte die Aussicht auf zumindest in den USA und Grossbritannien bald wieder steigenden Zinsen für Freude.

Unter den Einzelwerten aus der Bankenbranche gewannen die Aktien von BNP Paribas in Paris rund zwei Prozent. Die kanadische Bank of Montreal (BMO) habe Interesse an der US-Tochter Bank of West der französischen Bank, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Verweis auf mit der Sache vertraute Personen.

Die Papiere des Impfstoffentwicklers Valneva schnellten sogar um gut 16 Prozent nach oben. Börsianer verwiesen auf gute Testergebnisse mit einem Covid-Vakzinkandidaten.

Die Anteilsscheine von EDF aber sackten um mehr als 15 Prozent ab. Der Energiekonzern hatte seine Jahresprognose für den Kerngewinn wegen der Abschaltung eines weiteren Nuklearreaktors kürzen müssen, nachdem zuletzt in einem ähnlichen Reaktor im Kernkraftwerk Civaux ein Fehler im Sicherheitssystem entdeckt worden war.

In London machten die Aktien von Boohoo negative Schlagzeilen mit einem Kurseinbruch um rund 23 Prozent. Der Online-Modehändler hatte den Markt mit seinem operativen Gewinnausblick auf das Jahr 2022 schwer enttäuscht. Im Sog ging es für die Papiere des Konkurrenten Asos um mehr als fünf Prozent nach unten./la/zb