FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 23. Januar 2017. Die ersten Amtshandlungen des neuen US-Präsidenten bestimmen nach Ansicht von Analysten das Bild an den Kapitalmärkten. Für den DAX erkennen Charttechniker sowohl kurzfristiges Aufwärtspotenzial als auch Abwärtsrisiken.

Heute beginnt der offizielle Politikbetrieb der neuen US-Administration. Noch liegt nicht auf dem Tisch, welchen Themen sich Donald Trump vorrangig widmen wird. Ebenso offen ist, ob dies die Aktienmärkte schon in dieser Woche aus ihrer abwartenden Haltung herausreißt, wie Chris-Oliver Schickentanz erwartet. Die anstehende Offenlegung der Konzernbücher für das vierte Quartal birgt für den Analysten der Commerzbank indes Überraschungspotenzial. Angesichts der jüngsten globalen Konjunkturverbesserungen bestünden Chancen, dass sich die Zahlen im Durchschnitt oberhalb der bisherigen Markterwartungen bewegen werden. "Dies würde den Aktienkursen eine wirksame Unterstützung verleihen."

"Zumindest in den kommenden Tagen werden die Kapitalmärkte stark von den politischen Wellen getrieben, die von Trumps Amtseinführung ausgehen", vermutet Cyrus de la Rubia von der HSH Nordbank. In der Vergangenheit habe es zwischen der Präsidentschaftswahl und der Aufnahme der politischen Geschäfte oft eine Rallye an den US-Märkten ergeben, die dann in den Monaten danach einer Ernüchterung gewichen sei. 2017 reihe sich zwar nicht zwangsläufig in dieses Muster ein. "Aber wenn der neugewählte Präsident die Euphorie aufrecht erhalten will, muss er jetzt liefern."

"Nach wie vor ist die politische Unsicherheit um Trump sehr hoch", urteilt auch Claudia Windt von der Helaba. Die Euphorie an den Aktienmärkten kurz nach der Wahl sei verflogen. "Die magischen 20.000 Punkte beim Dow Jones-Index scheinen derzeit ebenso wenig erreichbar wie 12.000 Punkte beim deutschen Leitindex."

Kurzfristig Potenzial nach oben

Technisch ist beim DAX seit dem Jahresauftakt noch nicht viel passiert, wie Franz-Georg Wenner feststellt. Zwar liege der deutsche Bluechip Index mit 2 Prozent im Gewinn, allerdings basiere der Anstieg nur auf dem ersten Handelstag und sei von schwachen Umsätzen geprägt.

"Die Lethargie der vergangenen drei Wochen dürfte sich nach dem Amtsantritt von Donald Trump geben", schätzt der technische Analyst von Index Radar. Mit der Konsolidierung sei die zuvor überhitzte Lage komplett abgebaut worden, womit wieder Spielraum auf der Oberseite bestehe. "Die ersten beiden Wochen einer neuen Präsidentschaft verlaufen an den Aktienmärkten meist positiv und könnten auch den DAX über die bisher zähe Barriere bei 11.600 bzw. 11.635 Punkten führen." Weitere Ziele lägen dann bei 11.800 und vor allem 12.000 DAX-Zählern.

Wenner befürchtet allerdings, dass die gute Stimmung nicht lange anhält. Meist sei der Februar von markanter Kursschwäche geprägt. Hier kommt vor allem der Marke von 11.400 Punkten eine wichtige Warnfunktion zu. "Bleibt eine Stabilisierung an der bisher verlässlichen Nachkaufzone aus, drohen Verluste bis mindestens 11.200 Punkte." Auch ein Test des alten Ausbruchsniveaus bei 10.800 Zählern schließt der Charttechniker nicht grundsätzlich aus. "Sollte es dazu kommen, dürfte sich der Bereich mittelfristig aber als gute Nachkaufgelegenheit erweisen."

Übergeordneter Trend intakt

Nach Ansicht von Christian Schmidt von der Helaba hält die große Konsolidierung beim DAX weiter an. In der Folge trübe sich auch das Bild bei verschiedenen Indikatoren ein. Schmidt nennt als ein Beispiel den Directional Movement Index (DMI). Der für die kurzfristige Richtung relevante 21-Tagedurchschnitt steige lediglich um wenige Punkte pro Tag. Insofern rät Schmidt Anlegern, einen erneuten Test der Strukturmarke um 11.420 DAX-Zähler ins Kalkül einzubeziehen. Spätestens dann würden die Karten neu gemischt. "Da der übergeordnete Trend weiter positiv ist, führt ein darüber hinausgehender Rücksetzer Richtung 11.100 Punkte vermutlich zu einer Verbesserung des Chance- und Risikoprofils."

Harter Brexit auf die weiche Tour?

Nachdem sich Theresa May zu einem harten Brexit bekannt hat, zeichnet die britische Premierministerin einen stufenweisen Weg dorthin. "Klar ist, dass am Ende ein Freihandelsabkommen mit der EU stehen soll", fasst de la Rubia zusammen. Ein Modell à la Schweiz oder à la Norwegen scheidet demnach aus. Großbritannien strebe nach Unabhängigkeit von den Gesetzen der EU und nach vollständiger Kontrolle über die Zuwanderungspolitik. "May will unbedingt einen so genannten Klippeneffekt, also weitere Schocks für Unternehmen und Konsumenten, verhindern.

Es werde - so der Plan - unterschiedliche Übergangszeiträume geben. May ziele auf eine baldige Abschaffung der Freizügigkeit von Arbeitskräften, während der Austritt aus der Zollunion mit der EU zu einem späteren Zeitpunkt geplant sei. Letzteres gelte auch für das so genannte Passporting-Recht, das es bislang britischen Banken erlaubt, von London aus den gesamten EU-Binnenmarkt mit Finanzmarktdienstleistungen zu versorgen. "Insgesamt wird May den Unternehmen entgegenkommen müssen, um die versprochene Abstimmung im Parlament über das Abkommen am Ende der Verhandlungen für sich zu entscheiden" meint de la Rubia.

Rosinenpicken verhindern

Für Robert Halver ist mit dem Brexit eine scharfe britische Rezession und ein Bedeutungsverlust des Londoner Finanzplatzes nicht zu verhindern. Gleichzeitig dürfe es als konjunkturstützende Alternative eigentlich kein Briten-freundliches, neues Freihandelsabkommen mit der EU geben. "Denn dieses wäre eine Einladung an andere EU-Staaten, dem britischen Exit zu folgen, allein schon um dem europäischen Stabilitätskorsett zu entfliehen", meint der Analyst der Baader Bank. Bislang hielten sich negative Reaktionen an den britischen Finanzmärkten dennoch in Grenzen. Das britische Pfund - gewichtet gegenüber den bedeutendsten Handelswährungen - scheine nach der rasanten Abwertung in Folge des Brexit-Votums einen Boden gefunden zu haben. Die Volatilität britischer Aktien liege gar unter dem niedrigen Niveau vor dem Referendum.

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten

Dienstag, 24. Januar

Ab 18.30 Uhr. Belgien: Rede Jeroen Dijsselbloem auf der Konferenz "Die Zukunft Europas" in Brüssel. Fernab der Konjunkturdaten könnte nach Auffassung der HSBC die Rede von Jeroen Dijsselbloem neue Einblicke über die Haltung der Euroländer zum britischen EU-Austritt geben. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos habe der Vorsitzende der Euro-Gruppe bereits angedeutet, dass Großbritannien die Komplexität vom im Austrittsfall zu erzielenden Handelsabkommen unterschätze. In diesem Zusammenhang könne auch die Rede der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström mehr Klarheit liefern. Über den Beendigungsprozess der britischen EU-Mitgliedschaft werde am Dienstag zudem der Obersten Gerichtshofs in Großbritannien entscheiden. Die Richter befänden darüber, ob die britische Regierung für das Austrittsgesuch nach Artikel 50 die Zustimmung des Parlaments benötigt. Insgesamt werde aber der von Premierministerin Theresa May vorgestellte Zeitplan für die Antragstellung im März zunächst weiter Gültigkeit behalten.

Mittwoch, 25. Januar

10.00 Uhr. Deutschland: Ifo Geschäftsklimaindex Januar. Die deutsche Konjunktur läuft gegenwärtig richtig gut, und das wird nach Ansicht der DekaBank auch in der Umfrage des ifo Instituts hinsichtlich der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage zum Ausdruck kommen. Die Weltkonjunktur ziehe an und entfalte wieder mehr Schubkraft für deutsche Exporte, ebenso überzeuge die Binnenkonjunktur nach wie vor. Dennoch mische sich immer wieder ein mulmiges Gefühl in die heitere Gemütslage. Aktuell sorgten unter anderem die Äußerungen Donald Trumps zu Strafzöllen gegen Automobilproduzenten, deren Fahrzeuge nicht in den USA gefertigt werden, für Unbehagen. Unterm Strich sieht die DekaBank für das ifo Geschäftsklima im Januar aber nochmals einen leichten Anstieg.

Alle relevanten Termine sowie die aktuellen Daten kurz nach ihrer Veröffentlichung.

Möchten Sie den Wochenausblick kostenlos per E-Mail erhalten, dann melden Sie sich an auf boerse-frankfurt.de/newsletter.

von: Iris Merker

23. Januar 2017.

Sie können sich kostenlos für unseren täglichen Newsletter per E-Mail anmelden. Registrieren Sie sich bei www.boerse-frankfurt.de/newsletter

Laden Sie sich jetzt die neue Version der Börse Frankfurt-App für Android oder iOS herunter, bzw. aktualisieren Sie die Version auf Ihrem Smartphone. Die App bietet jetzt kostenlose Xetra-Preise in Realtime. Bis zu drei Titel können Sie in Ihre Watchlist aufnehmen. Außerdem: Broker-Buttons für den direkten Weg in Ihre Ordermaske, Watchlists ohne Anmeldung u.v.m.

Unterstützen Sie uns bitte mit Ihrem Feedback - im App-Store oder direkt per Mail an uns. © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)