--RWE lässt zwei Braunkohlekraftwerke bis Ende März 2024 in Betrieb

--Habeck: Einigung ist Meilenstein für Klimaschutz

--RWE will in "H2-ready Gaskraftwerke" investieren

(Neu: Weitere Aussagen, Details)

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Der Braunkohleausstieg im rheinischen Revier von Nordrhein-Westfahlen wird laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) um acht Jahre auf 2030 vorgezogen. Habeck sieht darin einen "Meilenstein" für den Klimaschutz, da mit der Vereinbarung Deutschlands Treibhausgasausstoß deutlich reduziert werde. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seiner NRW-Kollegin und dem Vorstandsvorsitzender der RWE AG sagte Habeck, dass RWE zwei Kraftwerksblöcke, die nach aktueller Rechtslage eigentlich hätten vom Netz genommen werden sollen, nun aufgrund der angespannten Versorgungslage bis Ende März 2024 im Betrieb lasse.

Zudem einigte man sich darauf, dass die Bundesregierung bis Ende 2023 entscheiden dürfe, ob die beiden Anlagen bei Bedarf noch ein Jahr länger im Strommarkt blieben oder in eine Reserve überführt werden sollen.

Außerdem ist die Bundesregierung laut Habeck in Gesprächen mit den Betreibern der acht Braunkohlekraftwerke in Ostdeutschland, um dort gegebenenfalls ebenfalls den Kohleausstieg vorzuziehen. Allerdings stünden dort in diesem Jahr keine Stilllegungen von einzelnen Kraftwerksblöcken an.

"Diese Gespräche gibt es, aber sie laufen vertrauensvoll und zugewandt. Wir werden schauen, ob wir da auch zu Lösungen kommen können", sagte Habeck auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit RWE-Chef Markus Krebber und Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) in Berlin.


   Siedlung Lützerath muss weichen 

Habeck versprach mit Blick auf Nordrhein-Westfalen, dass trotz der längeren Laufzeit der dortigen Braunkohlekraftwerke von RWE es zu keinen weiteren Umsiedlungen von Menschen kommen werde. Die Siedlung Lützerath soll trotz Protesten nun dem Braunkohleabbau von RWE weichen.

Insgesamt werde sich aber mit der politischen Vereinbarung zwischen der Bundesregierung, NRW und RWE die Klimabilanz durch den früheren Kohleausstieg verbessern.

"Es ist ein guter Tag für den Klimaschutz, es ist ein guter Tag auch für die klimaneutrale Versorgungssicherheit für Deutschland und für Nordrhein-Westfalen", sagte Habeck. "Dadurch bleiben 280 Millionen Tonnen Braunkohle in der Erde, und sie verhindern eine potentielle Verfeuerung von 280 Millionen Tonnen CO2. (...) Die CO2-Bilanz wird dadurch deutlich verbessert."


   Ausschreibung von Wasserstoff-Gaskraftwerken 

Im Gegenzug wird nach Angaben von Habeck zur Sicherung der Energieversorgung über das Jahr 2030 hinaus eine Ausschreibung für Wasserstoff-Gaskraftwerke vorgenommen. Diese Gaskraftwerke sollten dann so schnell es geht auf Wasserstoff umgestellt werden können.

"RWE wird sich an dieser Ausschreibung beteiligen, bzw. ich gehe davon aus, dass ein Teil davon auch, wenn nicht alles, von RWE bereitgestellt werden kann. RWE selbst wird außerdem den Ausbau von erneuerbaren Energien vorantreiben", so Habeck. Generell gehe der Hochlauf von Wasserstoff dynamischer vonstatten als erwartet.


   RWE verspricht Milliarden-Investitionen 

RWE-Chef Krebber betonte, dass sein Konzern wohl die Investitionen in Deutschland und Europa erhöhen werde. RWE will sich am notwendigen Ausbau für moderne "H2-ready Gaskraftwerke" mit rund 3 Gigawatt Kraftwerkskapazität beteiligen. Als einer der weltweit führenden Anbieter von erneuerbaren Energien will RWE bis 2030 global mehr als 50 Milliarden Euro brutto in den Ausbau des grünen Kerngeschäfts investieren, davon sind 15 Milliarden Euro für Deutschland vorgesehen.

Zudem würden aufgrund der Vereinbarung zur längeren Laufzeit der beiden Braunkohlekraftwerke und zum vorgezogenen Kohleausstieg zunächst deutlich mehr Mitarbeiter benötigt. Aber der Konzern werde aufgrund des vorgezogenen Kohleausstiegs dann 2030 deutlich mehr Mitarbeiter freisetzen als zunächst geplant, so Krebber.

"Der nochmals beschleunigte Kohleausstieg darf nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen. Deshalb wollen wir den Ausstieg wie bisher sozialverträglich gestalten. Uns war wichtig, dass auch der Bund zugesichert hat, die gesetzlichen Regelungen so anzupassen, dass niemand ins Bergfreie fällt", sagte Krebber.

Die Bundesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass der Kohleausstieg in Deutschland insgesamt "idealerweise" von 2038 auf 2030 vorgezogen werden soll.


   Vereinbarung stärkt Energieversorgungssicherheit 

NRW-Ministerin Neubaur betonte, dass mit der Vereinbarung die Landesregierung ihrem Ziel, die Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik auf den 1,5-Grad-Pfad des Pariser Klimaabkommens auszurichten, ein gewaltiges Stück näherkomme. Gleichzeitig trage die Vereinbarung der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelösten Krise der Energieversorgung Rechnung.

"Mit den Investitionszusagen in erneuerbare Energien und wasserstofffähige Kraftwerke geht mit dieser Verständigung auch ein Signal an die Beschäftigten von RWE aus: Der ambitionierte Kohleausstieg 2030 wird eine Kraftanstrengung, aber es wird für viele eine Zukunftsperspektive im Unternehmen geben", sagte Neubaur.

Mit Blick auf die Siedlung Lützerath sagte Neubaur, RWE habe alle notwendigen Genehmigungen, die Flächen jederzeit zu nutzen. Zudem habe ein unabhängiges Gutachten ergeben, dass ein Erhalt weder aus energiewirtschaftlicher oder wasserwirtschaftlicher Sicht noch aus Gründen der dauerhaften Standsicherheit zu verantworten sei.

"Auch wenn ich mir es anders gewünscht hätte: Wir müssen anerkennen, dass die Realität eine andere ist und diese Siedlung in Anspruch genommen werden muss", sagte Neubaur an die Adresse der Protestler vor Ort.

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October 04, 2022 07:06 ET (11:06 GMT)