Seit Ausbruch der Corona-Pandemie, also seit fast eineinhalb Jahren, lassen wir Sie nun alle zwei Wochen an unseren Gedanken zu aktuellen wirtschaftlichen Themen und Fragen rund um die Geldanlage und das Anlagemanagement teilhaben. Dabei versuchen wir stets - mit Blick auf unsere Leserinnen und Leser -, möglichst aktuelle oder grundlegend wichtige Themen aufzugreifen.

Offenbar mit einigem Erfolg, denn die ebenfalls Anfang 2020 geschaffene Möglichkeit, dass Sie als Leserin oder Leser unmittelbar eine Rückmeldung an unser Redaktionsteam auf den jeweiligen Artikel geben und meinen Mitarbeitern und mir Fragen zu diesen 'Logbüchern' stellen können, wird mittlerweile rege genutzt. Hierfür möchten wir uns ausdrücklich bedanken, geben Ihre Rückmeldungen doch wertvolle Hinweise, was Sie derzeit in Sachen Geldanlage umtreibt. Im Zuge dieser schon etwas länger praktizierten Kommunikation mit Ihnen haben wir festgestellt, dass es bestimmte Fragen gibt, die in der ein oder anderen Form immer wieder auftauchen und Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, offenbar 'keine Ruhe' lassen.

Daher wollen wir diese Ausgabe des Logbuchs einmal nutzen, um einige - genau genommen drei - dieser immer wiederkehrenden Fragen an dieser Stelle für alle Leserinnen und Leser zu beantworten. Vermutlich - so hoffen wir zumindest - ist auch für Sie eine Frage dabei (oder vielleicht sind es sogar alle drei), für die Sie sich schon länger eine (kompetente) Antwort gewünscht hätten.

Lassen Sie uns in diesem Sinne mit einer besonders häufig gestellten Frage aus Ihrem Kreise starten … einem Klassiker gewissermaßen. Sie dreht sich pauschal formuliert um das Thema 'Aktienanlage und Absicherung'. Und in ihr kommt eine große Anlegersehnsucht zum Ausdruck, die in der Frage gipfelt: 'Ist es nicht doch möglich, von den Renditechancen des Aktienmarktes vollumfänglich zu profitieren, die möglichen Abwärtsbewegungen aber abzusichern - 'aufwärts immer, abwärts nimmer' sozusagen? Etwas technischer formuliert erreichte uns solch eine exemplarische Frage vor einigen Wochen wie folgt:

Wie kann man am günstigsten ein Aktiendepot absichern? Optionsscheine auf den DAX sind sehr teuer. Gibt es eventuell andere Zertifikate?

Wenn Sie regelmäßiger Leser unserer Publikationen sind, wird Sie unsere kategorische Antwort (aus voller Überzeugung) hierzu nicht wundern: Verlustabsicherungsstrategien empfehlen wir tatsächlich ganz bewusst nicht.

Hintergrund: Eine Absicherung - wie auch immer in der Praxis umgesetzt - käme einem (Teil-)Ausstieg aus den Aktienmärkten gleich. Die Krux hierbei: Auch noch so erfahrene Investmentprofis können - in welcher Börsenlage auch immer - nicht vorhersehen, ob sich angesichts potenziell vorhandener Unsicherheiten ein Ausstieg aus den Märkten tatsächlich lohnt. Das liegt nicht nur daran, dass sie nicht wissen können, wie stark der Markt ggf. fällt, sondern mindestens genauso wichtig ist: Sie können auch nicht mit der notwendigen Sicherheit und Stetigkeit austarieren, wann der richtige Wiedereinstiegszeitpunkt (bzw. der richtige Zeitpunkt zur Auflösung der Absicherungsstrategie) gekommen ist, um am Ende einen wirklichen Mehrwert (nach Kosten) zu erzielen. Die Stetigkeit ist hier der entscheidende Punkt: Natürlich kann es gelingen, an den Märkten das richtige Timing zu erwischen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen aber eindrucksvoll, dass es sich dabei um Fälle handelt, die statistisch gesehen dem Zufall zugerechnet werden können … oder schlichtweg dem Glück zu verdanken sind.

So verführerisch Absicherungsstrategien auch klingen, sie sind doch in aller Regel ein großer Fehler: Wenn Sie vor vermeintlichen Krisen oder in Stressphasen aussteigen oder Ihr Depot absichern, finden Sie in der Regel den Wiedereinstieg bzw. Auflösungszeitpunkt für die Absicherung immer erst dann, wenn die heftigen positiven Gegenbewegungen bereits vorbei sind ('den Kursen hinterherlaufen'); entscheidende Renditepunkte gehen verloren. Der heftige Kurseinbruch zu Beginn der Coronakrise (Frühjahr 2020) und die anschließende fulminante und extrem schnelle Erholung - die so keiner auf dem Schirm hatte - sind hierfür geradezu ein (abschreckendes) Musterbeispiel.

Sinnvolle Mittel zur Risikojustierung sind u. E. stattdessen eine möglichst breite Vermögensstreuung und ein regelmäßiger Wertschwankungsausgleich (sog. 'Rebalancing'). Um gar nicht erst in quälende Überlegungen zur Depotabsicherung zu verfallen, empfiehlt sich grundsätzlich - unter eingehender Berücksichtigung der persönlichen Anlageziele und der Risikomentalität -, die individuell 'richtige' Aktienquote festzulegen, mit der auch stärkere Schwankungen 'aushaltbar' sind. Prognosen und das aktuelle Hin und Her an den Börsen sollten dabei keine Rolle spielen. Ausdauer, Ruhe und Disziplin gehören allerdings zum nötigen Rüstzeug.

Apropos Aktienquote … hiermit kommen wir zu einer weiteren häufig auftauchenden Frage. Ein Kernaspekt unseres Anlagekonzepts für die weltweiten Aktien- und Anleihemärkte ist es - wie bereits beschrieben -, eine strategische Aufteilung auf die beiden Anlageklassen vorzunehmen und konsequent beizubehalten. Also z. B. mit einer Aktienquote von 50 % - und spiegelbildlich eben einer Anleihequote von dann ebenfalls 50 % - durch alle Aufs und Abs des Aktien- und Anleihemarktes zu gehen. Sinnvoll wird diese Vorgehensweise durch die Tatsache, dass Anleiheinvestitionen im Allgemeinen weniger stark schwanken als Aktien … also einen Stabilitätsanker im Depot darstellen. Dies geht auch darauf zurück, dass sich Anleihen in Krisen oftmals fast schon spiegelbildlich zu den Aktien verhalten. Technisch formuliert spricht man hier von einer 'negativen Korrelation' und das ist genau der Punkt, der einen Fragesteller vor einigen Monaten offenkundig umtrieb:

Mich beschäftigt schon eine ganze Weile die Problematik, dass von einigen wichtigen Marktkennern bereits seit 2018 angeführt wird, dass Aktien und Anleihen entgegen dem früheren Verhalten in den letzten Jahren positiv korreliert sind und eine Kombination von beiden Anlageformen nicht mehr geeignet ist, Marktschwankungen in den Portfolios 'abzufedern'.

Sehen Sie das ähnlich? Und wenn ja, was raten Sie hier für das konkrete Portfolio, um eine negative Korrelation von Anlagegütern sicherzustellen?

Die Korrelation von Aktien- und Anleihemärkten ist ständigen Veränderungen unterworfen. Dabei gibt es mitunter deutliche Unterschiede in Abhängigkeit davon, welches konkrete Anleihemarktsegment man in Relation zur Entwicklung an den globalen Aktienmärkten betrachtet. Zu diesen Segmenten zählen z. B. langlaufende Staatsanleihen, Unternehmensanleihen (unterschiedlicher Bonitäten), kurzlaufende Anleihen bester Bonität, Schwellenländeranleihen etc. So ist z. B. die Korrelation von (risikoreicheren) Unternehmensanleihen mit längerer Laufzeit (gelbe Linie in der Grafik) zum Aktienmarkt (rote Linie) in der Regel spürbar höher als die von Staatsanleihen oder qualitativ hochwertigen Bonds mit relativ kurzer Restlaufzeit. Dies lässt sich an der nachfolgenden Grafik gut ablesen.

Festzuhalten bleibt: Einen generellen Trend weg von einer negativen hin zu einer positiven Korrelation können wir nicht identifizieren. Es gibt allerdings immer mal wieder Marktphasen, in denen es über viele Anleihesegmente hinweg eine deutlich stärkere Korrelation zu den Aktienmärkten gibt, wie z. B. zu Beginn der Coronakrise im Frühjahr 2020 (siehe Grafik).

Was sich in den letzten Jahren tatsächlich grundlegend verändert hat und einen Malus für Anleiheinvestments darstellt, ist das allgemeine Zins- bzw. Renditeniveau. Aufgrund des extremen Niedrigzinsumfeldes erfüll(t)en Anleihen in den letzten Jahren zwar immer noch die Funktion eines Stabilisators im Depot, sie dienten aber weniger als zusätzlicher Renditetreiber. Letztere Funktion wird mittlerweile deutlich überwiegend von Aktieninvestments übernommen, wenngleich Anleihen in den letzten Jahren - entgegen der allgemeinen Erwartung - auch immer wieder positive Wertentwicklungen aufwiesen. Konnten sie aufgrund der immer tiefer sinkenden Renditen doch teils erkleckliche Kursgewinne vorweisen.

Anleihen bleiben trotz des Niedrig(st)zinsumfeldes ein essentieller Depotbaustein, wenn mittlerweile auch weniger unter Ertrags- als vielmehr unter Risikoaspekten. Da sich die Entwicklung von Anleihen und Aktien weiterhin oft unterscheiden dürfte (Anleihen sind meist deutlich schwankungsärmer) und die Zahlungsströme bei Anleihen genau kalkulierbar sind (Zinszahlungen und Tilgung bei Endfälligkeit), gehören festverzinsliche Wertpapiere als stabilisierender Faktor im Prinzip in jedes gut sortierte Vermögensengagement. Diese wichtige Funktion von Anleihen (kalkulierbare Zahlungsströme) kann nicht ohne Weiteres durch andere Investments eins zu eins übernommen werden.

Im Zusammenhang mit Anleihen - und das bringt uns zu unserer dritten und für heute letzten der häufig gestellten Fragen - sorgen sich zudem nicht wenige Anleger um das Thema hohe Staatsverschuldung und expansive Zentralbankpolitik. Allgemein formuliert klingen diese Sorgen wie folgt: Wenn Staat und Zentralbanken derart massiv in den Anleihemarkt und das Geldsystem eingreifen, muss das nicht irgendwann fast schon zwingend einen Kollaps dieser Sektoren bedeuten? Eine Fragestellerin formulierte das unlängst so:

Der Artikel von Prof. Dr. May zum Thema Staatsverschuldung lässt völlig unbeachtet, WER der Gläubiger der Schulden ist. Bei den Schulden des Staates liegen Schuldner und Gläubiger in EINER HAND. Der Staat 'schöpft' Geld. Hier liegt doch das Problem. Nur deshalb wird nach Ersatzkriterien für ein Limit der Staatsschulden gesucht. Die ungezügelte Geldvermehrung des Staates führt doch geradlinig in eine Währungsreform. Oder?

Mit Blick auf den Markt für Staatsanleihen können wir festhalten, dass sich die Gläubiger üblicherweise im Privatsektor oder auch bei institutionellen Anlegern (wie z. B. Banken oder Versicherungen) finden. Seit geraumer Zeit kauft auch die Europäische Zentralbank (EZB) über die nationalen Notenbanken im großen Stile Staatsanleihen am Markt auf. Wir haben es hier mit einer Institution zu tun, die fraglos staatsnah, aber letztlich nicht mit dem Staat gleichzusetzen ist. Die von Ihnen angesprochene Geldschöpfung erfolgt somit durch die Notenbanken und nicht durch den Staat.

Damit wollen wir keinesfalls verharmlosen, dass die EZB-Bilanz im Zuge der immensen Anleiheaufkäufe massiv aufgebläht wurde. Das ist sicherlich alles andere als risikolos, die Situation kann aber bei gutem Willen aller Beteiligten durchaus wieder bereinigt werden. Dass dies gelingen kann, d. h., dass die Bilanzsumme in einem freundlicheren Wirtschaftsumfeld auch wieder zurückgeführt werden kann, haben die Amerikaner in den Jahren 2017 bis 2019 vorgemacht.

Eine Währungsreform halten wir trotz der alles andere als unbedenklichen Staatsverschuldungssituation und trotz der aufgeblähten EZB-Bilanz für sehr unwahrscheinlich. Wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die Geldpolitik der Notenbanken und die Stabilität der Währung massiv schwinden würde, wären ernsthafte Inflationssorgen oder gar Sorgen vor einer Währungsreform berechtigt. Davon kann aber aktuell nicht die Rede sein: Trotz Pandemie, zwischenzeitlicher Rezession und steigender Inflationssorgen ist das Vertrauen in den Geldwert in der westlichen Welt weiterhin stark verankert. Das belegen übrigens auch die aus Finanzmarktpreisen hergeleiteten Inflationserwartungen der Marktteilnehmer.

Liebe Leserin, lieber Leser, hoffentlich konnten wir mit unseren Antworten auf diese häufig gestellten Fragen Sachverhalte klären, die vielleicht auch Sie dann und wann umtreiben, wobei wir darauf hinweisen, dass wir an dieser Stelle lediglich allgemeine Antworten geben können und Ihre persönliche Situation bzw. Vermögensverhältnisse unberücksichtigt lassen müssen. Die wichtigste Antwort haben wir uns aber für den Schluss aufgehoben. Es ist die Antwort auf eine Frage, die wir gar nicht ausgewählt haben, nämlich die Frage nach der besten Geldanlage: Das ist und bleibt - trotz und gerade wegen der unzähligen Widrigkeiten in der Wirtschaft und an den Märkten - ein strategisch passend aufgestelltes, prognosefreies und wissenschaftliches Wertpapierportfolio.

Autoren: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagemanagement der Quirin Privatbank, in Zusammenarbeit mit Philipp Dobbert, Chefvolkswirt, und Arndt Kussmann, Leiter Portfoliokonzept

Wenn Sie sich in diesem herausfordernden Marktumfeld noch mehr Orientierung wünschen, dann empfehle ich Ihnen unsere aktuelle Studie 'Die Kraft globaler Finanzmärkte effizient nutzen'. Dort erfahren Sie u.a., welche Faktoren für eine erfolgreiche Geldanlage maßgeblich sind.

Attachments

  • Original document
  • Permalink

Disclaimer

quirin Privatbank AG published this content on 30 July 2021 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 30 July 2021 06:18:09 UTC.