FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Auswertung der sogenannten "Pandora Papers" hat begonnen - aus den Dokumenten könnten mögliche Steuerstraftaten von Prominenten hervorgehen. Erste Daten seien an Ermittlungsbehörden abgegeben worden, teilte der hessische Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) am Montag in Frankfurt mit. Hessen hatte den Ankauf des Datensatzes für einen sechsstelligen Betrag im Juni abgeschlossen. Die Dokumente in zweistelliger Millionenzahl werden auch mit Künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet, weil ihre Analyse laut Boddenberg sonst "Jahrhunderte dauern oder Heerscharen von Beamten beschäftigen" würde.

Die "Pandora Papers" waren im Oktober 2021 bekanntgeworden. In den Dokumenten sollen Daten zu Hunderten Politikern, Amtsträgern, Firmenvorständen und Spitzensportlern aus aller Welt sein, die jahrelang Finanzdienstleister genutzt haben sollen, um ihre Vermögen und Wertgegenstände zu verstecken. Experten der hessischen Steuerverwaltung werten das Daten-Leak federführend für ganz Deutschland und Ermittlungsbehörden im EU-Ausland aus. Die zuständigen Fachleute des Finanzamtes Kassel hätten bereits zahlreiche Anfragen bekommen, sagte der Minister am Montag.

"Die Büchse der Pandora ist geöffnet: Damit richten wir aber keinen Schaden an, sondern kommen den Steuerkriminellen auf die Spur, die mit ihrem egoistischen und verantwortungslosen Handeln der Gemeinschaft schaden", sagte der Finanzminister. "Dabei werden Ermittlerinnen und Ermittler auf viel Übles stoßen - wie es eben mit der mythischen Büchse der Pandora verbunden wird."

Die Dimensionen der "Pandora Papers" sind gewaltig. "Uns liegen nun über 3,8 Terabyte Daten vor, die sich auf mindestens 10,4 Millionen Dokumente erstrecken", erklärte Boddenberg. "Sollte jedes der Dokumente nur aus einem Blatt Papier bestehen und würde man diese übereinanderstapeln, dann wäre die höchste Erhebung in Deutschland nicht mehr die Zugspitze, sondern mit rund vier Kilometern Höhe der "Pandora Papers-Turm" in Kassel."

An der Auswertung beteiligt ist neben einer besonderen Ermittlungsgruppe die 2019 gegründete Forschungsstelle Künstliche Intelligenz (FSKI) im Finanzamt Kassel mit zehn Spezialisten. Ihre Zahl soll laut Boddenberg 2024 verdreifacht werden. Die FSKI helfe auch "bei der Durchsetzung der EU-Sanktionen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine oder dem Mammutprojekt der Grundsteuerreform. Viele weitere Einsatzgebiete werden dazukommen."

Der staatliche Ankauf geleakter Dokumente mit Steuerdaten wie die "Pandora Papers" geschah dem hessischen Finanzminister zufolge früher in einem rechtlichen Graubereich mit der Angst mancher Fahnder, sich strafbar zu machen. Mittlerweile sei aber das Strafgesetzbuch entsprechend geändert worden und dieses Risiko verschwunden.

Die FSKI will nach eigenen Angaben ihre sensiblen Daten nicht etwa zu US-Servern schicken, sondern verfügt selbst über einen "äußerst leistungsfähigen Datenspeicher" für ein Volumen von mehreren tausend Terabyte. Der Großteil der Pandora Papers sei gar nicht relevant - es gelte, für Ermittler die verdächtigen Fälle herauszufiltern.

Die Experten in Kassel hatten laut Finanzministerium zuvor auch schon andere Daten-Leaks wie etwa die "Panama Papers", "Paradise Papers" und "Bahamas Leaks" ausgewertet. 94 Strafverfahren seien daraufhin eingeleitet worden mit insgesamt 75 Millionen Euro "Mehrergebnissen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren im In- und Ausland". 2016 hatte die Veröffentlichung der "Panama Papers" zu Ermittlungen auch in anderen Teilen der Welt und einer internationalen Debatte über Steueroasen und Geldwäsche geführt./jaa/DP/ngu