Warschau/Wien (Reuters) - Polens größter Energiekonzern Orlen hat Gasunternehmen in Österreich, Ungarn und der Slowakei vor einer Beschlagnahmung ihrer Zahlungen an die russische Gazprom gewarnt.

Das sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters. Die Schreiben von Orlen seien vor über einem Monat verschickt worden. Sie würden im Zusammenhang mit Forderungen für Verluste stehen, die Polen erlitten hat, nachdem das Land 2022 von russischen Erdgaslieferungen abgeschnitten worden war, sagten zwei Personen mit Kenntnis der Briefe. Polen wurde von den russischen Gaslieferungen abgeschnitten, weil es die Rechnungen nicht wie von Moskau verlangt in Rubel bezahlen wollte. Orlen reagierte nicht sofort auf eine Anfrage.

Hintergrund dürfte sein, dass der verstaatlichte deutsche Energiekonzern Uniper Anfang des Monats ein Milliarden-Euro-Schiedsverfahren in Stockholm gegen Gazprom gewonnen hat. Das Urteil erlaubt Uniper, ruhende Gaslieferverträge mit dem russischen Energieriesen aufzukündigen. Wegen nicht gelieferter Gasmengen steht Uniper zudem Schadenersatz in Höhe von mehr als 13 Milliarden Euro zu. Ob diese Gelder fließen werden, ist noch offen. Deutschland bezieht kein Gas mehr von Gazprom. Das Urteil könnte einen Präzedenzfall für ähnliche Fälle schaffen.

Im Gegensatz zu Polen bezieht Österreich weiterhin Gas aus Russland. Der Wiener Erdöl-, Gas- und Chemiekonzern OMV hatte Mitte Mai vor einem möglichen Stopp von russischen Erdgaslieferungen gewarnt. In einer sogenannten "Urgent market message" hatte der Konzern auf ein ausländisches Gerichtsurteil verwiesen, das ermöglicht, die OMV-Zahlungen an Gazprom zu pfänden. Die Österreicher haben bis 2040 einen Liefervertrag mit dem russischen Energieriesen. Auf Anfrage von Reuters, ob die OMV einen solchen Brief von Orlen erhalten hat, antwortete das Unternehmen nicht direkt. "Wir verweisen auf unser Statement vom 21. Mai 2024, das alle hierzu kommunizierten Details von OMV enthält. An diesen Fakten hat sich aus unserer Sicht nichts geändert". Darüber hinaus erklärte die OMV, dass ihr derzeit keine Unregelmäßigkeiten bei den Gaslieferungen nach Österreich bekannt sind.

Ungarn hatte nach der Warnung aus Polen im Mai ein Dekret erlassen, dass die Pfändung von Zahlungen des staatlichen Energieunternehmens MVM CEEnergy an Gazprom verhindert, da dies die Energieversorgung des Landes gefährden würde. Auch der slowakische staatliche Energiekonzern SPP verwies am Mittwoch auf eine entsprechende Gesetzesänderung im Land, die ihn vor einer möglichen Beschlagnahmung der Gazprom-Zahlungen schützt.

Das österreichische Klimaschutzministerium teilte auf Anfrage von Reuters mit, dass die Versorgungssicherheit oberste Priorität habe. "Wir unternehmen laufend Maßnahmen, um diese dauerhaft zu gewährleisten. Grundsätzlich gilt: Solange eine Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen vorliegt, besteht ein massives Risiko für einen entsprechenden Lieferausfall mit weitreichenden Folgen".

Marktteilnehmer sehen aktuell keine Gefahr für die Versorgungssicherheit in Österreich, da derzeit ausreichend Erdgas vorhanden ist und die Speicher zu 77 Prozent gefüllt sind.

(Bericht von Julia Payne in Brüssel und Marek Strzelecki in Warschau; Mitarbeit von Jan Lopatka in Prag, Boldizsar Gyori in Budapest and Alexandra Schwarz-Goerlich in Wien. Redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Julia Payne und Marek Strzelecki