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DGAP-WpÜG: Nemetschek-Stiftung / Befreiung
Befreiung / Zielgesellschaft: Nemetschek SE; Bieter: Nemetschek-Stiftung
10.11.2021 / 16:30 CET/CEST
Veröffentlichung einer WpÜG-Mitteilung, übermittelt durch DGAP - ein Service
der EQS Group AG.
Für den Inhalt der Mitteilung ist der Bieter verantwortlich.
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Veröffentlichung über die Erteilung einer Befreiung nach § 37 WpÜG von der
Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots an die
Aktionäre der Nemetschek SE, München
Auf entsprechenden Antrag der Nemetschek-Stiftung, Konrad-Zuse-Platz 1, 81829
München, ("Antragstellerin") hat die Bundesanstalt für Finanzleistungsaufsicht
("BaFin") mit Bescheid vom 9.7.2021 der Antragstellerin gemäß § 37 Abs. 1 Var.
5 WpÜG von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die
Kontrollerlangung an der Nemetschek SE, München, zu veröffentlichen, sowie von
den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, der BaFin eine
Angebotsunterlage zu übermitteln, und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in
Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen,
befreit.
Der Tenor des Bescheids lautet wie folgt:
1. Die Antragstellerin wird für den Fall, dass sie durch den Abschluss der
Stimmrechtspoolvereinbarung mit der Nemetschek Vermögensverwaltungs GmbH & Co.
KG, Grünwald, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRA
101113, gemäß Abschnitt A § 7 der Urkunde Nummer 345/2021 des Notars Dr. Thomas
Wachter vom 18.02.2021 im Zusammenhang mit der in Abschnitt A §§ 3-5 der
vorgenannten Urkunde vorgesehenen Zuwendung von insgesamt 4.637.109 Aktien der
Nemetschek SE, München, die Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG über die
Nemetschek SE, München, erlangt, gemäß § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG von der
Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die Kontrollerlangung an der
Nemetschek SE, München, zu veröffentlichen sowie von den Verpflichtungen nach §
35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine
Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Verbindung
mit § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit.
2. Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1 kann widerrufen werden
(Widerrufsvorbehalt), wenn
(i) die Antragstellerin selbst Einfluss auf die Entscheidung über die Ausübung
der der vorgenannten Poolvereinbarung unterliegenden Stimmrechte in der
Nemetschek SE, München nehmen kann, oder
(ii) die Antragstellerin dadurch die Möglichkeit zur Ausübung der tatsächlichen
Kontrolle über die Nemetschek SE, München, erlangt, dass sie ihren
Stimmrechtsanteil an der Nemetschek SE, München, anderweitig, einschließlich
etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte und abzüglich der
Stimmrechte, die der vorgenannten Poolvereinbarung unterfallen, auf mindestens
30% erhöht.
Der Widerrufsvorbehalt gemäß vorstehender Ziffer 2. (i) gilt jedoch nicht, wenn
die der vorgenannten Poolvereinbarung unterliegenden Stimmrechte weniger als
30% der in der Nemetschek SE, München, vorhandenen Stimmrechte ausmachen und
die Antragstellerin ihren Stimmrechtsanteil an der Nemetschek SE, München,
nicht anderweitig, einschließlich etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender
Stimmrechte auf mindestens 30% erhöht.
3. Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1 ergeht unter folgenden Auflagen:
(i) Die Antragstellerin hat den Umstand, dass die Stimmrechtspoolvereinbarung,
die sie mit der Nemetschek Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG, Grünwald,
eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRA 101113, gemäß
Abschnitt A § 7 der Urkunde Nummer 345/2021 des Notars Dr. Thomas Wachter vom
18.02.2021 im Zusammenhang mit der in Abschnitt A §§ 3- 5 der vorgenannten
Urkunde vorgesehenen Zuwendung von insgesamt 4.637.109 Aktien der Nemetschek
SE, München, abgeschlossen hat, wirksam geworden ist unverzüglich, spätestens
jedoch innerhalb von vier Wochen nach Eintritt des vorgenannten Umstandes,
durch Vorlage geeigneter Unterlagen gegenüber der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht nachzuweisen.
(ii) Die Antragstellerin hat der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht jedes Ereignis, jeden Umstand und jedes
Verhalten, das den Widerruf der Befreiung gemäß der vorstehenden Ziffer 2
rechtfertigen könnte, unverzüglich mitzuteilen.
4. Für die positive Entscheidung über den Befreiungsantrag ist von der
Antragstellerin eine Gebühr zu entrichten.
Die Befreiung beruht im Wesentlichen auf folgenden Gründen:
I.
Die Nemetschek SE, München, ist im Handelsregister des Amtsgerichts München
unter HRB 224638 eingetragen (folgend "Zielgesellschaft"). Das Grundkapital der
Zielgesellschaft beträgt EUR 115.500.000,00 und ist in 115.500.000 Stückaktien
eingeteilt (folgend "NSE-Aktien").
Gegenstand des Antrags ist der beabsichtigte Abschluss mehrerer
Poolvereinbarungen im Rahmen der nachfolgenden dargestellten Umstrukturierung
der Zielgesellschaft mit dem Ziel einer Entflechtung des Aktienbesitzes auf
Ebene der Familienaktionäre.
1. Gegenwärtig hält die Nemetschek Vermögensverwaltungs GmbH & Co KG, Grünwald,
eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRA 101113
(folgend "Nemetschek KG") unmittelbar 55.868.784 NSE-Aktien (entspricht rund
48,37% der bei der Zielgesellschaft insgesamt vorhandenen Stimmrechte). Einzige
Komplementärin der Nemetschek KG ist die Nemetschek Verwaltungs GmbH, Grünwald,
eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 205971
(folgend "Nemetschek GmbH").
Kommanditisten der Nemetschek KG sind Alexander Nemetschek (folgend "AN") und
Dr. Ralf Nemetschek (folgend "RN") mit einer Beteiligung in Höhe von jeweils
49,998% der Kommanditanteile und Professor Dipl.-lng. Georg Heinz Nemetschek
(folgend "GN") mit einer Beteiligung in Höhe von 0,004% der Kommanditanteile.
Die einzigen Gesellschafter der Nemetschek GmbH sind wiederum GN, AN und RN.
Zwischen der Nemetschek KG und GN besteht eine Stimmbindungsvereinbarung
(folgend "Poolvereinbarung I"). GN hält derzeit unmittelbar 3.700.000
NSE-Aktien (entspricht rund 3,2% der Stimmrechte in der Zielgesellschaft). Der
Poolvereinbarung I unterliegen daher insgesamt 59.568.784 NSE-Aktien
(entspricht rund 51,57% der Stimmrechte in der Zielgesellschaft).
Die Antragstellerin ist eine im Jahr 2007 errichtete gemeinnützige Stiftung.
2. Zur Regelung der Unternehmensnachfolge sollen die in der Nemetschek KG
gebündelten Beteiligungen entflochten und wie unten dargestellt verteilt
werden. Die Parteien haben eine Rahmenurkunde abgeschlossen, in dem die
Vollzugszeitpunkte (in römischen Ziffern gestaffelt) näher definiert sind. In
diesem Zusammenhang soll die mittelbare Kontrolle von GN über die
Zielgesellschaft auf die Nemetschek Familienstiftung, Hirtenweg 74, 82037
Grünwald, (folgend "Nemetschek Familienstiftung") übertragen werden.
2.1 GN, AN und RN entnehmen im Verhältnis ihrer festen Kapitalanteile insgesamt
4.637.109 NSE-Aktien aus der Nemetschek KG. Diese werden auf Geheiß von GN, AN
und RN direkt auf die Antragstellerin übertragen und entsprechend aus der
Poolvereinbarung I entlassen.
2.2 Aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt, in dem die Antragstellerin aufgrund
der vorgenannten Übertragungen von NSE-Aktien erstmals die Stellung als
Aktionärin der Zielgesellschaft erlangt, haben die Antragstellerin und die
Nemetschek KG zum Zwecke der Wahrung einer einheitlichen Stimmrechtsausübung
eine weitere Poolvereinbarung abgeschlossen (folgend "Poolvereinbarung II").
II.
Dem Antrag war stattzugeben, da er zulässig und begründet ist.
1. ZULÄSSIGKEIT
Der Antrag ist zulässig.
Er wurde insbesondere fristgemäß (§ 8 Satz 2 WpÜG-Angebotsverordnung) vor der
erst nach Wirksamkeit dieses Bescheides zu erwartenden Kontrollerlangung (vgl.
hierzu Ziffer 2.1) gestellt.
Über den Antrag konnte auch vor dem Kontrollerwerb der Antragstellerin
entschieden werden. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Kontrollerlangung
als vorhersehbar (BT-Drs. 14/7034 v. 05.10.2001, S. 81) und aus Gründen der
Sicherstellung der ernsthaften Bereitschaft zum Kontrollerwerb als sehr
wahrscheinlich (vgl. Krause/Pötzsch/Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, 3. Aufl. 2020, § 8 WpÜG-Angebotsverordnung, Rn. 8 f.) darstellt. Dies ist
vorliegend gegeben. Die zum Kontrollerwerb führenden Handlungen hängen
lediglich vom Willen der Parteien der Rahmenurkunde ab. Mit einer Durchführung
der Rahmenurkunde ist nach Eintritt der Vollzugsvoraussetzungen auf Grund des
bereits getätigten erheblichen Aufwands zügig zu rechnen.
2. BEGRÜNDETHEIT DES ANTRAGS
2.1 Kontrollerwerb der Antragstellerin
Kontrolle ist gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG das Halten von mindestens 30% der
Stimmrechte an einer Zielgesellschaft.
Gegenwärtig hält die Antragstellerin unmittelbar keine NSE-Aktien. Ebenso wenig
sind ihr Stimmrechte aus NSE-Aktien gemäß § 30 WpÜG zuzurechnen.
Mit Erwerb der 4.637.109 NSE-Aktien (entsprechen rund 4,01% der Stimmrechte in
der Zielgesellschaft) durch die Antragstellerin und Inkrafttreten der
Poolvereinbarung II verfügt die Antragstellerin über insgesamt 55.868.784
Stimmrechte aus NSE-Aktien (entsprechen rund 48,37% der Stimmrechte in der
Zielgesellschaft) und zwar Stimmrechte aus 4.637.109 NSE-Aktien (entsprechen
rund 4,01% der Stimmrechte in der Zielgesellschaft), die die Antragstellerin im
Zuge der Umstrukturierung von GN, RN und AN erwerben und danach unmittelbar
halten wird sowie Stimmrechte aus 51.231.675 NSE-Aktien (entsprechen rund
44,36% der Stimmrechte in der Zielgesellschaft), welche der Antragstellerin
nach Inkrafttreten der Poolvereinbarung II von der Nemetschek KG gemäߧ 30 Abs.
2 WpÜG zuzurechnen sind.
Ein abgestimmtes Verhalten setzt nach § 30 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. WpÜG voraus,
dass sich der Bieter und der Dritte über die Ausübung von Stimmrechten
verständigen. So liegt der Fall hier. Die nach der Rahmenurkunde abgeschlossene
Poolvereinbarung II sieht vor, dass sich die Parteien über die Ausübung der
Stimmrechte aus den von ihnen jeweils gehaltenen NSE-Aktien abstimmen.
Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang für die Zurechnung von Stimmrechten
nach § 30 Abs. 2 WpÜG, dass sich die Antragstellerin in der Poolvereinbarung II
verpflichtet hat, stets nach den Weisungen der Nemetschek KG abzustimmen. Nach
der Verwaltungspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(folgend "BaFin") ist es für die Erfüllung des Zurechnungstatbestandes nach §
30 Abs. 2 WpÜG unerheblich, ob die sich abstimmende Partei Einfluss auf die
Ausübung der der Poolvereinbarung unterliegenden Stimmrechte hat oder nicht
(vgl. zu § 34 Abs. 2 WpHG: Emittentenleitfaden der BaFin, Modul 8, Stand 30.
Oktober 2018 S. 28). Der mitgeteilte Sachverhalt bietet auch keine
Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Einzelfallausnahme in Sinne des § 30 Abs. 1
Satz 1 WpÜG. Die Poolvereinbarung II ist für einen längeren Zeitraum und ohne
jegliche inhaltliche Einschränkung abgeschlossen.
Die Wirksamkeit der einzelnen Übertragungen von NSE-Aktien auf die
Antragstellerin ist jeweils auf den gleichen Zeitpunkt, nämlich den in der
Rahmenurkunde definierten Vollzugszeitpunkt II aufschiebend bedingt. Die
Wirksamkeit der Poolvereinbarung II wiederum ist auf die Wirksamkeit der
vorgenannten Übertragungen bedingt. Folglich wird die Antragstellerin nach dem
Willen der Parteien der Rahmenurkunde zeitgleich (i) Inhaberin von 4.637.109
NSE-Aktien (entsprechen rund 4,01% der Stimmrechte in der Zielgesellschaft) und
(ii) durch die Poolvereinbarung II wirksam gebunden. Mit dem in der
Rahmenurkunde definierten Vollzugszeitpunkt II verfügt die Antragstellerin
daher insgesamt über Stimmrechte aus 55.868.784 NSE-Aktien (entsprechen rund
48,37% der Stimmrechte in der Zielgesellschaft) und überschreitet damit die
Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG.
2.2 Befreiungsgrund
Die Voraussetzungen für eine Befreiung der Antragstellerin gemäß § 37 Abs. 1
Var. 5 WpÜG von den Pflichten des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG
liegen vor. Die fehlende tatsächliche Möglichkeit zur Ausübung der Kontrolle
rechtfertigt es, (auch) unter Berücksichtigung der Interessen der anderen
Inhaber von Aktien der Zielgesellschaft eine Befreiung von den Verpflichtungen
nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG auszusprechen.
Nach den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falls ist
es ausgeschlossen, dass die Antragstellerin tatsächlich die Kontrolle über die
Zielgesellschaft ausüben kann. Die Antragstellerin hat sich im Rahmen der
Poolvereinbarung II verpflichtet, das Stimmrecht aus allen von ihr unmittelbar
gehaltenen NSE-Aktien stets nach den Weisungen der Nemetschek KG auszuüben. Die
Antragstellerin ist daher an der Ausübung der Kontrolle über die
Zielgesellschaft nicht beteiligt.
2.3 Ermessen
Die Erteilung der beantragten Befreiung nach § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG liegt im
Ermessen der BaFin. In die Abwägung sind die Interessen der Antragstellerin und
diejenigen der anderen Inhaber der Aktien der Zielgesellschaft einzustellen. Im
Ergebnis überwiegen hier die Interessen der Antragstellerin, kein
Pflichtangebot nach § 35 WpÜG an die Aktionäre der Zielgesellschaft
unterbreiten zu müssen, die Interessen der Aktionäre der Zielgesellschaft an
einem Angebot.
Der formale Kontrollerwerb der Antragstellerin mit Wirksamkeit der
Poolvereinbarung II bietet den außenstehenden Aktionären keinen
(schützenswerten) Anlass, eine außerordentliche Desinvestitionsentscheidung zu
treffen. Vielmehr bleibt die materielle Kontrollsituation letztlich
unverändert, da sich die Antragstellerin den Weisungen der bisher und auch
zukünftig die unmittelbare Kontrollposition in der Zielgesellschaft
innehabenden Nemetschek KG unterwirft, welche die Antragstellerin weder
herbeiführen noch beeinflussen kann. Somit müssen die außenstehenden Aktionäre
infolge der Umstrukturierung auch keine transaktionsbedingte Änderung in der
Unternehmensführung der Zielgesellschaft erwarten, so dass ihr etwaiges
Interesse an einem Pflichtangebot als gering zu bewerten ist und jedenfalls
hinter dem Interesse der Antragstellerin, nicht mit den Kosten eines
Pflichtangebots belastet zu werden, zurückstehen muss.
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