Von Josh Nathan-Kazis

NEW YORK (Dow Jones)--Die Unterbrechung der Markteinführung von Johnson & Johnsons Covid-19-Impfstoff in der vergangenen Woche wird die US-Impfkampagne nicht zum Entgleisen bringen. Sie wird wahrscheinlich auch nicht die Erholung der US-Wirtschaft verzögern, zumindest nicht auf kurze Sicht. Was jedoch passiert: Die Sorgen um die Impfstofftechnologie vergrößern sich, mit der ein Großteil der Welt außerhalb der USA geimpft werden soll. Und langfristige wirtschaftliche Stabilität in den USA wird ohne eine erfolgreiche globale Impfkampagne kaum möglich sein. Andernfalls werden neue Varianten, die aus ungeimpften Bevölkerungsgruppen stammen, wieder in die USA einsickern und jeden Fortschritt der Impfkampagne zunichtemachen.


   USA von Wiederaufflammen der Pandemie bedroht 

Sofern das Virus weiterhin ungehindert in der Welt zirkuliert, könnten die USA Mitte kommenden Jahres mit einem Wiederaufflammen der Pandemie konfrontiert sein, so UBS-Analyst Navin Jacob. "Wenn die Wirksamkeit nachlässt und die Varianten weiter zunehmen, und wir neue Varianten sehen, da der Rest der Welt nicht richtig geimpft wird, könnte das Risiko plötzlich wieder steigen."

In den USA hat sich das Tempo der Impfungen derweil beschleunigt. Laut der Gesundheitsbehörde CDC werden täglich durchschnittlich mehr als drei Millionen Dosen verabreicht, mehr als doppelt so viele wie noch Anfang Februar. Außerhalb der USA haben jedoch nur wenige große Länder außer Großbritannien einen wesentlichen Teil ihrer Bevölkerung geimpft. Viele haben noch nicht einmal damit begonnen. Covax, die internationale Organisation zur Verteilung des Impfstoffs an Entwicklungsländer, hat bisher nur 39 Millionen Impfdosen verschickt.


   J&J- und Astrazeneca-Impfstoff relativ billig und einfach anwendbar 

Impfstoffe von Johnson & Johnson und Astrazeneca sollen bei diesen globalen Bemühungen dank ihrer niedrigeren Preise und der relativ einfachen Anwendung eine wichtige Rolle spielen. Astrazeneca hat eine Vereinbarung über die Lieferung von Hunderten Millionen Dosen an Covax in den kommenden Monaten, während Johnson & Johnson einen Vertrag über die Lieferung von 220 Millionen Dosen an die Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union und einen vorläufigen Vertrag über die Lieferung von bis zu 500 Millionen Dosen an Covax bis 2022 hat. Aber die globale Einstellung zu diesen Impfstoffen zeigt Anzeichen einer Ermüdung.

Die von der US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA und der CDC empfohlene Pause in der Verwendung des Impfstoffs von Johnson & Johnson kam, nachdem die Behörden sechs Berichte über eine ungewöhnliche Kombination von Symptomen erhalten hatten. Dabei drehte es sich unter anderem um schwere Blutgerinnsel bei Frauen, die die Impfung bekommen hatten. Europäische Aufsichtsbehörden haben über ähnlich ungewöhnliche Symptome bei einer kleinen Anzahl von Patienten berichtet, die den Impfstoff von Astrazeneca verabreicht bekommen hatten.


   Kein großer Schaden für Johnson & Johnson zu erwarten 

FDA-Beamte erklärten zuletzt, dass die Pause eine Sache von Tagen sei. Doch nach einer Sitzung des CDC-Beratungsausschusses zur Wochenmitte scheint es sich vielmehr um eine Woche oder länger hinzuziehen. Johnson & Johnson hat seinen Impfstoff gegen Covid-19 ohne Gewinnabsicht verkauft, und es ist unwahrscheinlich, dass die Pause einen wesentlichen Einfluss auf die Gewinnerwartungen haben wird. Die Aktien des Unternehmens gaben als Reaktion zunächst nur um 1,3 Prozent nach und erholten sich im weiteren Verlauf der Woche.

Pfizer und Moderna sind die wahrscheinlichen Nutznießer der Rückschläge für Johnson & Johnson und Astrazeneca. Die Europäische Kommission, die sich zuvor stark auf den Impfstoff von Astrazeneca verlassen hatte, teilte zur Wochenmitte mit, dass sie über einen Deal für 1,8 Milliarden Dosen des Impfstoffs von Pfizer verhandele. Dänemark will nach eigenen Angaben derweil die Verwendung des Impfstoffs von Astrazeneca ganz einstellen. Südafrika pausiert zudem bei Einführung des Impfstoffs von Johnson & Johnson.


   Impfstoff-Akzeptanz könnte leiden 

"Das ist ein Moment zum Innehalten", meint Rebecca Weintraub, Professorin für globale Gesundheit und Sozialmedizin an der Harvard Medical School. "Wir sollten daraus nicht schließen, dass die Impfstoffe von Astrazeneca oder Johnson & Johnson nicht Teil unseres Portfolios sein werden." Dennoch könne es erhebliche Auswirkungen geben. "Diese beiden Impfstoffe sind wichtig", betont auch Jacob, der vorrechnet, dass etwa 40 Prozent der weltweit in Auftrag gegebenen Covid-19-Impfstoffdosen von Astrazeneca und Johnson & Johnson sind. "Jeder Lücke in der Sicherheit wird die Akzeptanz nur verringern."

Analysten erwarten nun, dass ein CDC-Beratungsgremium schließlich empfehlen wird, Frauen unter 50 Jahren den Impfstoff von Johnson & Johnson nicht zu verabreichen. Selbst mit diesen Einschränkungen verfügen die USA über genügend Dosen der Impfstoffe von Moderna und Pfizer, um die gesamte in Frage kommende US-Bevölkerung bis Mitte des Sommers zu impfen. Das könnte es der US-Wirtschaft erlauben, in den kommenden Monaten weiter zu wachsen, selbst wenn die Impfkampagnen in anderen Ländern ins Stocken geraten.

"Die USA sind eigentlich die geschlossenste Volkswirtschaft der Welt", argumentiert Torsten Sløk, Chefökonom bei Apollo Global. Im Gegensatz zu einer europäischen Nation brauchten die USA keine gesunde Welt, um ihre eigene Wirtschaft zu verbessern. "Diese Nachrichten ... verstärken die Abkopplung zwischen den USA und Europa." Diese Isolation reicht jedoch nicht unendlich weit. Neue Stämme des Virus werden immer wieder auftauchen, solange die Bevölkerung auf der ganzen Welt ungeimpft bleibt. "Das Virus breitet sich unkontrolliert über den Globus aus, nicht entlang politischer Linien", sagt Weintraub. "Die Varianten kommen von den Ungeimpften. Wir werden also weiterhin neue Varianten sehen."

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April 16, 2021 11:24 ET (15:24 GMT)