BERLIN (dpa-AFX) - Der Online-Möbelhändler Home24 rechnet nach seinem Geschäftsrekord von 2020 im laufenden Jahr mit weiteren Steigerungen. Dass die Erlöse noch einmal so stark anziehen wie im Vorjahr will Vorstandschef Marc Appelhoff jedoch nicht versprechen. Zwar sieht der Manager den Trend zum Möbelkauf im Internet als unumkehrbar an. Doch niemand wisse, was passiere, wenn die Menschen in der zweiten Jahreshälfte wieder reisen und ihre Freizeit im Freien verbringen dürften, sagte er am Mittwoch im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Home24 will nun mehr Geld in die Gewinnung neuer Kunden stecken - und sich weitere Marktanteile sichern. Dafür nimmt der Vorstand auch einen Nettoverlust in Kauf.

An der Börse wurden die Nachrichten mit einem Kursrutsch von zeitweise rund neun Prozent quittiert. Zur Mittagszeit lag die Home24-Aktie noch mit gut sieben Prozent im Minus bei 19,11 Euro und war damit zweitstärkster Verlierer im SDax, während die Aktie des Konkurrenten Westwing zu den größten Gewinnern zählte. Damit setzten sich die starken Kursschwankungen der vergangenen Monate fort: Anfang Februar war der Kurs von Home24 bis auf fast 27 Euro gestiegen, im März war das Papier zeitweise für unter 15 Euro zu haben.

Dabei hat das Geschäft von Home24 seit dem Ausbruch der Pandemie vor gut einem Jahr einen regelrechten Boom erlebt. Bereinigt um Währungsschwankungen legte der Umsatz 2020 um 42 Prozent auf 492 Millionen Euro zu. Vor allem seit den ersten Lockdowns im März zog das Geschäft kräftig an, und im operativen Geschäft schaffte es das Unternehmen im Gesamtjahr in die schwarzen Zahlen.

Für 2021 fasst der Vorstand nun ein währungsbereinigtes Umsatzplus von 20 bis 40 Prozent ins Auge. Dass die Prognosespanne so groß ist, erklärt das Management mit der Unklarheit rund um den weiteren Verlauf der Pandemie. Die Infektionslage und die Lockdowns in vielen Ländern treiben zwar dem Online-Handel viele neue Kunden zu. Allerdings erschweren sie das Geschäft der hauseigenen Showrooms und Outlet-Läden von Home24 ähnlich wie das der klassischen Möbelhäuser.

Dabei dürfte sich der Verlauf der Pandemie 2021 auch in den Wachstumsraten des ersten und zweiten Halbjahrs recht unterschiedlich widerspiegeln. "Sowohl das erste als auch das zweite Quartal werden dieses Jahr voraussichtlich ein sehr ordentliches Wachstum zeigen gegenüber dem Vorjahr", sagte Appelhoff. Ab dem Sommer hält Appelhoff jedoch einen vorübergehenden "Kompensationseffekt in die andere Richtung" für möglich, wenn sich die Infektionsgefahr auch aufgrund großer Fortschritte bei den Impfungen entspannt.

Für das erste Jahresviertel meldete Home24 nun einen währungsbereinigt rund 73 Prozent höheren Auftragseingang als vor dem Ausbruch der Corona-Krise ein Jahr zuvor. "Wir sehen weiterhin eine deutlich erhöhte Online-Nachfrage der Verbraucher", sagte Appelhoff. So rechne das Unternehmen "langfristig" mit einer weiteren Verlagerung der Kundennachfrage aus dem stationären Handel hin zum Online-Geschäft.

Nachdem das Unternehmen seine Marketingausgaben in den ersten drei Quartalen 2020 kaum erhöht habe, plant Appelhoff jetzt eine kontrollierte Offensive in der Kundenakquise. Auch die Online-Plattform will er ausbauen - und setzt auf mehr Inspiration und Beratung. Zudem will er die Produktpalette erweitern: "Bisher sind wir eher ein Großmöbler. Wir haben Verbesserungspotenzial bei Heimtextilien und Boutique-Artikeln. Da werden wir expandieren."

Außerdem schaut sich Home24 nach geeigneten Standorten für weitere sogenannte Showrooms um, in denen Kunden online angepriesene Produkte anschauen, anfassen sowie Polster- und andere Sitzmöbel auf ihre Bequemlichkeit testen können. "Wir werden selektiv weitere Showrooms in Metropolregionen eröffnen", sagte Appelhoff.

Auch wegen solcher Vorhaben rechnet er vorerst mit steigenden Kosten für das Unternehmen. Beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen (Ebitda) und Sondereffekten peilt er zwar auch 2021 schwarze Zahlen an. So sollen bis zu zwei Prozent des Umsatzes als Ebitda vor Sondereffekten beim Unternehmen hängen bleiben. 2020 hatte Home24 diese Marge mit 3 Prozent in den schwarzen Bereich gehievt, nachdem sie 2019 noch mit 8 Prozent im Minus gelegen hatte.

Unter dem Strich schrieb das Unternehmen aber auch 2020 noch rote Zahlen: Im Vergleich zum Vorjahr schrumpfte der Verlust aber von gut 66 Millionen auf rund 16 Millionen Euro.

Für Appelhoff wäre ein Gewinn unter dem Strich allerdings auch kein Selbstzweck. "Wir hätten 2020 auch schon mit einem Nettogewinn schließen können und könnten das auch 2021", sagte er. Dafür müsste das Unternehmen nur die Ausgaben für die Neukundengewinnung senken und im Gegenzug auf einen Teil des Umsatzes verzichten. "Aber wir sehen aktuell die Riesenchance in einem Markt, der sich derzeit so schnell Richtung online verändert, wie er es sonst in fünf oder zehn Jahren nicht getan hätte, und die wollen wir ergreifen", sagte er./stw/knd/fba