FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Frank plädiert dafür, privaten Investorinnen und Investoren mehr Eigenverantwortung zuzutrauen, und, statt sie einzuschränken, pragmatische und verständliche Aufklärung vorzuschreiben.

7. August 2023. FRANKFURT (pfp Adisory). Wie schutzbedürftig sind Privatanleger(innen)? Wie viel Eigenverantwortung darf und sollte ihnen zugemutet werden? Und nützt es ihnen überhaupt, ihnen einen "höheren" Schutzstatus zuzugestehen als so genannten professionellen Anlegern? Diese Fragen habe ich, aus ganz verschiedenen Anlässen, in den vergangenen Tagen mehrmals im privaten Kreis diskutiert. Für mich war dieser Austausch auch deshalb so interessant, weil viele dieser Gesprächspartner(innen) nicht in der Finanzbranche arbeiten und damit oft eine andere Perspektive auf Aktien, Derivate oder andere "spekulative" Anlageformen haben.

Wichtig für die Einschätzung dieser Fragen ist, ob Privatanleger erkennen können, welche Risiken bei einer konkreten Geldanlage bestehen. In diesem Punkt waren sich alle einig. Allerdings traten Differenzen in der Frage auf, wie viel Aufwand zumutbar sei. Auch wenn ich das Problem schon aus unzähligen Gesprächen zuvor kannte, wundere ich mich immer noch darüber, dass manche Menschen teilweise wochenlang Kataloge wälzen und Internetseiten durchklicken, wenn sie sich ein Fahrrad für 1.000 Euro kaufen, um selbst kleinste Risiken auszuschließen und Fehler zu vermeiden. Geht es aber um 100.000 oder mehr Euro, die im Laufe eines Lebens bei der Vermögensbildung oder der Altersvorsorge angespart werden sollen oder eben auch nicht, bleiben die gleichen Personen erstaunlich oft bei eigenen Vorurteilen oder oberflächlichen Recherchen stehen.

Dass mit so wenig Aufwand wichtige Risiken oft nicht erkannt werden, finde ich nicht überraschend. Klar ist für mich dann aber auch: Wer so vorgeht, muss die Konsequenzen im Misserfolgsfall selbst tragen, und sollte nicht aus der Haftung entlassen werden, sich auf eine besondere Schutzbedürftigkeit berufen oder gar "Rettung" durch die Allgemeinheit einfordern. Wer mit Derivaten, Kryptowährungen oder ähnlichen Anlageformen zocken will, sollte nicht grundsätzlich daran gehindert werden, allerdings auch selbst dafür haften. Risiko und Haftung sollten keinesfalls entkoppelt werden. Fehlgriffe sind schmerzhaft, aber lehrreich, und gehören zur Geldanlage dazu.

Manchmal hilft bei der Risikoabwägung auch schon der gesunde Menschenverstand. Wenn 12 Prozent Zinsen auf Genussrechte oder Anleihen geboten werden, sollte jeder und jedem klar sein, dass diese Produkte derart hohe Coupons nicht aus einer Spendierlaune heraus gewähren, sondern hohe Risiken reflektieren. Wenn zudem auf ein mögliches "Totalverlustrisiko" hingewiesen wird, sollte dies ebenfalls nicht überlesen, sondern gewissenhaft in die eigenen Überlegungen mit einbezogen werden. Auch diesen Aufwand halte ich für zumutbar.

Die Frage nach dem optimalen Schutz für Privatanleger berührt grundsätzlich das Verhältnis von Bürger und Staat. Sind Bürger erwachsene, souveränere Akteure, die eigenverantwortlich ihre finanziellen Angelegenheiten regeln? Oder sind sie, überspitzt formuliert, "tumber Toren", die bösen "Finanzhaien" hilflos ausgeliefert und zu vernünftigen Risikoeinschätzungen nicht fähig sind?

In Talkrunden und Fernsehkrimis ist das Menschenbild leider oft stark an die zweite Variante angelehnt. Dort werden Privatanleger oft als sympathische, aber auch hilflose Laien dargestellt, die hinterhältig grinsenden und skrupellosen Finanzberatern hoffnungslos ausgeliefert sind und gnadenlos über den Tisch gezogen werden. Ein gängiges Klischee, das nicht nur Drehbuchautoren gefällt, sondern auch Politikern, können jene sich doch anschließend als "Retter" der Geprellten aufspielen. Meines Erachtens liegt das optimale Schutzniveau für Privatanleger weit weg vom tumben Tor und deutlich näher am eigenverantwortlich handelnden und mündigen Bürger.

Überdies führt ein zu hohes Schutzniveau erfahrungsgemäß dazu, dass Emittenten bestimmte Produkte Privatanlegern nicht mehr anbieten, aus Angst, im Fall des Misserfolgs in übertriebenem Ausmaß in Mithaftung genommen zu werden. Das gut gemeinte Mantra, Privatanleger besonders schützen zu wollen, führt also nicht selten dazu, dass diesen riskantere und oft auch besonders renditeträchtige Anlageformen nicht mehr zur Verfügung stehen - meiner Meinung nach ein zu starker Eingriff in ihre Privatautonomie und ihre Chancen auf Vermögensbildung.

Freilich sollten Anleger*innen auf sinnvolle Art und Weise bei ihren Investmententscheidungen unterstützt werden. Ellenlange Produktinformationsblätter mit nutzlosen Angaben in abschreckendem Juristendeutsch gehören sicherlich nicht dazu. Erfahrungsgemäß liest diese kaum jemand, vom Verstehen oder gar Verinnerlichen ganz zu schweigen. Stattdessen dürften viele sogar von einer Beschäftigung mit der Materie abgeschreckt werden. Ein kurzes und verständliches Informationsblatt, mit den wichtigsten Angaben zu Wirkungsweise, (realistischen) Kosten, Chancen und Risiken, und das in verständlicher Sprache, wäre das richtige Hilfsmittel für Privatanleger, weil es Transparenz schafft und sie bei einer eigenständigen Risikoeinschätzung unterstützt.

von Christoph Frank, 8. August 2023, © pfp Advisory

Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)