FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Für Fondsmanager Frank liegt in der zunehmenden kleinteiligen Regulierung ein Schlüsselfaktor für sinkende Wettbewerbsfähigkeit.

10. Juli 2023. FRANKFURT (pfp Adisory). Ein heiß diskutiertes Thema, neben Dauerbrennern wie "Fachkräftemangel" oder "Ukraine-Krieg", war zuletzt die überbordende Bürokratisierung. Während in meinen Gesprächen mit Unternehmensvorständen Klagen überwiegen, reagieren ausländische Investoren oft verwundert bis belustigt, was sich der deutsche Staat oder die EU so alles einfallen lassen.

Dabei wäre meines Erachtens gerade jetzt, da Deutschland nicht nur in der subjektiven Wahrnehmung immer weiter an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt, sondern auch in offiziellen Statistiken, das Gegenteil das Gebot der Stunde: Bürokratieabbau! Zwar ließe sich dadurch schlechte und ideologiegetriebene Politik nicht gänzlich ausgleichen, aber deren Folgen wenigstens mildern.

Denn schließlich kostet Bürokratieabbau wenig bis nichts, wäre aber schnell wirksam und könnte Wachstumskräfte freisetzen. Statt ständig Formulare auszufüllen, Meldungen bei Behörden einzureichen oder Daten für monströse neue Gesetze oder Compliance-Vorgaben zu sammeln, könnten sich Mitarbeitende und Vorstände wieder auf ihre eigentlichen Kernaufgaben besinnen: produzieren und Wohlstand für sich und die gesamte Gesellschaft schaffen.

Höre ich allerdings Politikern zu, gewinne ich leider oft den gegenteiligen Eindruck. Viele scheinen stolz darauf zu sein, die Gestaltungsspielräume von Bürgern und Unternehmern mit immer kleinteiligeren und tiefer gehenden Regelungen verengen zu können. Manche Politiker(innen) aus Brüssel oder Berlin rühmten sich regelrecht dafür, dass es in Europa die härteste Regulierung gebe und diese doch am besten in alle Welt "exportiert" werden solle. Ich bin allerdings skeptisch, dass sich andere Länder gerne von EU-Bürokraten "belehren" und freiwillig Fesseln anlegen lassen wollen.

Zwar gibt es immer wieder politische Absichtserklärungen zum Bürokratieabbau (z. B. im Koalitionsvertrag der Ampelregierung), sogar eine "Bürokratiebremse" und auch einige durchaus sinnvolle Gesetze in diesem Kontext. Doch läuft der Gesamttrend meiner Meinung nach seit einigen Jahren eindeutig in die falsche Richtung. Beispielsweise war es m. E. überflüssig, bei der Vertrauensarbeitszeit überhaupt zu regulieren. Auch die Bürokratie rund um das neue Lieferkettengesetz und die Nachhaltigkeitsberichterstattung halte ich für überzogen.

Stattdessen sollte sich die Politik die wachstumsfördernde Wirkung des Bürokratieabbaus zunutze machen. Die Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch: Parallele Genehmigungsverfahren könnten vereinheitlicht bearbeitet werden, das würde Zeit und Ressourcen sparen. Bearbeitungsfristen könnten stark verkürzt werden, gerade wenn die Verfahren vorher vereinfacht wurden. Gesetze könnten schon bei ihrer Einführung zeitlich befristet oder wenigstens regelmäßig auf ihre Abschaffung überprüft werden. Die Verwaltung könnte endlich digitalisiert werden. Die Pflicht zur Erhebung umfangreicher Statistiken könnte aufgehoben oder wenigstens stark reduziert werden. Und, sicherlich etwas realitätsfern: Überflüssige Behörden könnten geschlossen oder wenigstens fusioniert werden, statt sie mit neuen Regulierungsaufgaben künstlich am Leben zu erhalten.

"Um deutsche Regulierungswut kennenzulernen, reicht schon der Versuch, ein simples Einfamilienhaus zu bauen Und dieser Bürokratismus trifft nicht nur den kleinen Häuslebauer. Er trifft auch die großen und kleinen Unternehmer." Kommt Ihnen das bekannt vor? Die Älteren unter Ihnen erinnern sich vielleicht. Diese Sätze stammen aus der berühmten "Ruck-Rede", die der damalige Bundespräsident Roman Herzog 1997 im Berliner "Adlon" hielt. Ein Politiker! Ein paar Jahre später folgte ein Reformprogramm namens "Agenda 2010", das Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit merklich steigerte. Mein Wunschszenario wäre, dass ein Vierteljahrhundert später Vergleichbares gelingt. Ein umfangreiches Programm zum Bürokratieabbau, vor allem aber dessen konsequente Umsetzung, wäre ein Anfang.

von Christoph Frank, 10. Juli 2023, © pfp Advisory

Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (LU1865032954), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)