- von Rene Wagner und Christian Krämer

Industriekrise in China, Flaute in der Weltwirtschaft, Sorge um die deutsche Konjunktur: Die Coronavirus-Epidemie ist der Industriestaaten-Organisation OECD zufolge die größte Gefahr für die globale Wirtschaft seit der Finanzkrise 2008/09.

"Das Virus droht der Weltwirtschaft, die bereits durch Handelsstreitigkeiten und politische Spannungen geschwächt ist, einen zusätzlichen Schlag zu versetzen", warnte OECD- Chefvolkswirtin Laurence Boone am Montag. Um die Folgen abzufedern, signalisieren viele Regierungen ihre Bereitschaft zu Konjunkturprogrammen, während Zentralbanken mehr billiges Geld bereitstellen könnten.

Besonders deutlich werden die Folgen des Ausbruchs an ihrem Ursprungsort China: Produktion, Aufträge und Beschäftigtenzahl fielen im Februar so stark wie noch nie seit Beginn der monatlichen Umfrage vor rund 16 Jahren, wie die Mediengruppe Caixin und das Forschungsinstitut IHS Markit mitteilten. Der Einkaufsmanagerindex brach dadurch um 10,8 auf 40,3 Punkte ein. Erst ab 50 signalisiert das Barometer ein Wachstum. "Der starke Rückgang ist auf die stagnierende Wirtschaftstätigkeit im ganzen Land zurückzuführen, die durch die Coronavirus-Epidemie verursacht wurde", sagte Caixin-Chefökonom Zhengsheng Zhong.

Die Krise beim Exportweltmeister droht die gesamte Weltwirtschaft aus der Spur zu bringen - zumal sich das Virus auch auf andere Industriestaaten wie Japan, Südkorea und Italien stark ausbreitet. Sollte sich die Lage nicht bessern und immer weitere Länder betroffen sein, könnte das weltweite Wachstum dieses Jahr auf etwa 1,5 Prozent halbiert werden, erklärte die OECD. "Es ist wichtig, dass die Regierungen jetzt unverzüglich handeln, um die Epidemie einzuschränken, die Gesundheitssysteme zu stützen, Bürgerinnen und Bürger zu schützen, die Nachfrage zu stärken und das finanzielle Überleben der am stärksten betroffenen Unternehmen und Haushalte zu garantieren", forderte Chefvolkswirtin Boone.

Die Welthandelsorganisation WTO erwartet einen substanziellen Einfluss auf die Weltwirtschaft, ohne jedoch konkret zu werden. Das werde sich in den nächsten Wochen in den Daten zum Handel zeigen, so WTO-Chef Roberto Azevedo.

"ES WIRD EINE KONZERTIERTE AKTION GEBEN"

In China haben sich bislang mehr als 80.000 Menschen mit dem Virus infiziert, die meisten in der Provinz Hubei. Knapp 3000 Personen sind daran gestorben. Das Wirtschaftswachstum in China dürfte sich laut OECD wegen des Virus deutlich verlangsamen. Die Ökonomen rechnen hier 2020 nur noch mit 4,9 Prozent, nachdem es 2019 noch 6,1 Prozent waren.

Die Industriestaaten-Gruppe empfiehlt höhere staatliche Ausgaben, um dem Konjunkturrückgang entgegenzuwirken. Sie stößt damit auf offene Ohren. Die Finanzminister der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) wollen in dieser Woche über die Folgen des Coronavirus-Ausbruchs sprechen. "Es wird eine konzertierte Aktion geben", kündigte der französische Finanzminister Bruno Le Maire an. Auch die Finanzminister der Euro-Zone stünden in Kontakt. Er wolle auch mit der Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, reden, kündigte Le Maire an. "Wir müssen so handeln, dass diese Auswirkungen, von denen wir wissen, dass sie wichtig für das Wachstum sind, so gering wie möglich sind." Le Maire traf am Montag in Berlin mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz zusammen.

Das deutsche Gastgewerbe forderte staatliche Hilfen für Hotels und Restaurants, die nach der Absage von Großveranstaltungen wegen des Coronavirus Stornierungen beklagen. "Insbesondere die Absagen von großen internationalen Messen in Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf und Berlin führen zu fatalen Kettenreaktionen", sagte der Präsident des Branchenverbands Dehoga, Guido Zöllick. Demnach hätten Hotelgruppen und Eventgastronomen Einbußen im hohen sechs- bis siebenstelligen Bereich zu verkraften.

Die EU wird laut Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni alle politischen Möglichkeiten nutzen, um das Wachstum gegen Risiken abzusichern. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier deutete an, dass Berlin nicht untätig bleiben will. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Corona unseren Wirtschaftsaufschwung kaputt macht", sagte der CDU-Politiker in der ARD. Die OECD senkte ihre Prognose für das deutsche Wachstum 2020 auf 0,3 Prozent. Damit würde sich das Tempo gegenüber 2019 halbieren.

Die Zentralbanken signalisierten ebenfalls ihre Bereitschaft, aktiv zu werden. Die internationalen Partner würden dabei zusammenarbeiten, sagte etwa ein Sprecher der Bank von England. Dadurch solle sichergestellt werden, "dass alle notwendigen Schritte zum Schutz der Finanz- und Währungsstabilität unternommen werden". Ähnlich hatte sich zuvor die japanische Zentralbank geäußert.

Investoren am europäischen Geldmarkt rechnen wegen des sich ausbreitenden Virus inzwischen fest mit einer Zinssenkung der EZB im April. Die Euro-Notenbank will mit negativen Sätzen erreichen, dass Banken überschüssige Gelder nicht bei der EZB parken, sondern in Form von Krediten an die Wirtschaft weiterreichen und so die Konjunktur ankurbeln. Der belgische Notenbankchef Pierre Wunsch sagte, die EZB müsse jetzt besonders wachsam sein.