Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Ein Bündnis mehrerer Fahrrad- und Verkehrsverbände hat der Regierung vor dem von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag geplanten Mobilitätsgipfel eine verfehlte Verkehrspolitik vorgeworfen und Scholz dazu aufgerufen, "die Verkehrswende als Ganzes anzugehen und zur Chefsache zu machen". Der Gipfel sei ein Beleg dafür, "dass die Verkehrswende noch nicht im Kanzleramt angekommen ist", denn zu dem Treffen seien fast ausschließlich Vertreter der Automobilbranche eingeladen.

"Was früher einmal Autogipfel genannt wurde, hat jetzt ein neues Label bekommen - die Inhalte sind aber die alten", sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, bei einer Pressekonferenz. "Das Kanzleramt betreibt hier Etikettenschwindel und beweist, dass es die Transformation der Mobilitätswirtschaft nicht im Großen und Ganzen denkt, sondern Mobilität mit E-Auto gleichsetzt." Die Verkehrswende sei aber mehr als eine Antriebswende beim Auto.

E-Autos und sinkende Autonutzung würden zu weniger Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie führen, erklärte der Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV), Burkhard Stork. Studien zeigten aber schon lange, dass es in der modernen Mobilität künftig mehr Arbeitsplätze als bisher geben werde. "Ein Baustein ist die Fahrradwirtschaft." Allein die Läden und Werkstätten meldeten aktuell einen Bedarf von 15.000 Mitarbeitenden, hinzu kämen die Herstellung von Fahrrädern und massiv wachsende Dienstleistungsbereiche. "Aber wenn der Kanzler nur mit den Autokonzernen redet, werden diese Möglichkeiten nicht vorkommen", warnte er.

Allianz pro Schiene, Allgemeiner Deutscher Fahrradclub (ADFC), ZIV und der Verband Zukunft Fahrrad beklagten "ein völlig veraltetes Mobilitätsverständnis, das erneut die Klimaziele im Verkehrssektor gefährde. "Ein Mobilitätsgipgel, bei dem die Autowirtschaft unter sich ist, macht auch industriepolitisch überhaupt keinen Sinn", sagte Stork. Der ADFC forderte eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes. Man warte auf einen Referentenentwurf des Verkehrsministeriums für ein Radwegenetz.

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January 09, 2023 05:31 ET (10:31 GMT)