Zürich (Reuters) - Prall gefüllte Auftragsbücher und die nachlassenden Halbleiter-Engpässe dürfte dem Schweizer Elektrotechnikkonzern im zweiten Halbjahr Schwung geben.

"Wir haben nicht mehr die gleichen Probleme bei der Beschaffung, was bedeutet, dass wir unsere Auslieferungen in der zweiten Jahreshälfte erhöhen können", erklärte Konzernchef Björn Rosengren am Donnerstag. Die ersten drei Wochen des Quartals hätten stark begonnen. "Ich bin optimistisch, was die Leistung von ABB für den Rest des Jahres angeht."

Im zweiten Quartal stieg der bereinigte Auftragseingang des Siemens-Rivalen um ein Fünftel auf 8,8 Milliarden Dollar. Der Umsatz hinkte mit einem Plus von sechs Prozent allerdings deutlich hinterher. Wie viele andere Industrieunternehmen hätte ABB mehr verkaufen können, wenn nicht Engpässe bei Komponenten und Logistik die Produktion gehemmt hätten. Vor allem ein Mangel an Halbleitern setzte dem Hersteller von Robotern, Antrieben und Elektro-Ladestationen in den ersten beiden Quartalen des Jahres zu.

Inzwischen habe sich die Lage entspannt. "Nach allem, was wir jetzt wissen, erwarten wir, dass sich das Angebot an Halbleitern von nun an verbessern wird", sagte Finanzchef Timo Ihamuotila. Das hänge auch damit zusammen, dass die Nachfrage nach Massengütern mit Chips wie etwa Computern etwas nachlasse, sodass die Hersteller wieder stärker Industrieunternehmen beliefern könnten. "Ich würde nicht sagen, dass die Probleme schon vorbei sind", sagte Rosengren. "Aber ja, in der zweiten Jahreshälfte sieht es deutlich besser aus."

ABB VERABSCHIEDET SICH AUS RUSSLAND

Die Nachfrage nach den Produkten des Konzerns aus Zürich ist jedenfalls ungebrochen. ABB profitiere von Megatrends wie der Abkehr von der fossilen Energie in der Transportbranche und den Bemühungen um Energieeffizienz bei Gebäuden. Gleichzeitig förderten die Schrumpfung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und steigende Arbeitskosten die Nachfrage nach Automatisierung in der Industrie und in anderen Sektoren. "ABB ist sowohl bei der Elektrifizierung als auch bei der Automatisierung gut aufgestellt, was durch die globalen Trends, die sich heute in der Welt abspielen, sehr unterstützt wird", sagte Rosengren. "Wir haben wahrscheinlich den höchsten Auftragsbestand, den das Unternehmen je hatte."

Für das dritte Quartal stellte ABB ein zweistelliges Umsatzwachstum in Aussicht. Die operative Rendite dürfte im Gesamtjahr gemessen an den 14,2 Prozent im Vorjahr anziehen. Im zweiten Quartal verbesserte ABB das operative Ergebnis (Ebita) auch dank Rückendwind von Sonderfaktoren auf 15,5 Prozent des Umsatzes. Trotz angespannter Lieferketten, coronabedingter Lockdowns in China und der hohen Inflation übertraf der Konzern damit den eigentlich erst für das kommende Jahr angepeilten Zielwert von mindestens 15 Prozent.

Unter dem Strich verdiente das Unternehmen von April bis Juni mit 379 Millionen Dollar allerdings nur halb so viel wie vor Jahresfrist. Ins Gewicht fiel vor allem der Ausstieg aus einem Zug-Geschäft. Zudem entschied der Konzern, sich aufgrund des Krieges in der Ukraine und der internationalen Sanktionen aus Russland zurückzuziehen. Der Abschied aus dem Land, in dem ABB rund 750 Mitarbeiter beschäftige, koste das Unternehmen 57 Millionen Dollar.

(Reporter: Oliver Hirt, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern +49 30 2201 33711 (für Politik und Konjunktur) +49 30 2201 33702 (für Unternehmen und Märkte)