Kirchberg ZH (awp/sda) - Der Schokoladehersteller Lindt&Sprüngli bekommt auf Ende Jahr nach über 20 Jahren einen neuen Chef (CEO). Dennoch dürfte vieles beim Alten bleiben. Grund: Ernst Tanner gibt nur sein Doppelmandat ab. Er bleibt exekutiver Verwaltungsratspräsident des Konzerns. Zudem kommt der neue Chef aus den eigenen Reihen: Es ist Dieter Weisskopf, der bereits seit März 1995 als Finanzchef unter Ernst Tanner amtet.

Lindt&Sprüngli bekennt sich gemäss eigenen Angaben vom Freitagabend zu Kontinuität. Man führe mit dieser Besetzung "basierend auf der mehr als zwanzig Jahre andauernden und erfolgreichen Zusammenarbeit" von Tanner und Weisskopf die langfristige Ausrichtung des Unternehmens konsequent weiter.

Die Verantwortlichkeiten würden per Ende Jahr übergeben, hiess es, wobei die Struktur auf Konzernleitungsebene dann entsprechend angepasst werde. Tanner konzentriere sich ab diesem Zeitpunkt auf die langfristige strategische Ausrichtung der Gruppe.

Der Schaffhauser Tanner (Jahrgang 1946) ist seit 1994 Verwaltungsratspräsident und Konzernchef von Lindt&Sprüngli. Er trat damals die Nachfolge von Rudolph R. Sprüngli an. Unter anderem ist er im Verwaltungsrat des Uhrenkonzerns Swatch. Zuvor war er über 25 Jahre für Johnson&Johnson in Europa und den USA tätig.

NOCHMALS FÜNF JAHRE

In einem Interview in der Sonntagspresse hielt Tanner fest, dass er vermutlich etwa die nächsten fünf Jahre das Amt als exekutiver VR-Präsident innehaben werde. Es könne sein, dass dann der neu ernannte 60-jährige Konzernchef Weisskopf Verwaltungsratspräsident werde. "Das wäre ganz bestimmt die erwünschte Regelung", sagte Tanner.

Laut Tanner hat der neue Konzernchef Weisskopf bereits fast alles ausser dem Marketing und den Ländergesellschaften geleitet. Diese Funktionen werde er nun Schritt für Schritt übernehmen. Tanner wird Weisskopf dabei weiterhin unterstützen und "ihn an die jährlichen Marketingpräsentationen unserer Ländergesellschaften rund um die Welt begleiten". Seine "Prioritäten" sehe er aber eher in der Verbesserung der Suche nach neuen Talenten, sagte Tanner.

Tanner betonte auch, dass sein Sohn Derek nie Konzernchef von Lindt&Sprüngli wird. "Derek wird das Unternehmen Ende Juni verlassen und seine eigene Firma eröffnen. Wir haben eine Firma in Frankreich gekauft, den exklusivsten Hersteller von Steakmessern. Er kann damit weltweit etwas aufbauen", sagte er.

EINSTIEF INS RIEGEL-GESCHÄFT

Wie Tanner im Interview ausserdem erklärte, wird bei Lindt&Sprüngli derzeit der Einstieg ins Geschäft mit Schokoriegeln geprüft. Mit Snacks und Riegeln will der Konzern in den nächsten fünf Jahren jährlich über 100 bis 200 Mio CHF Umsatz erzielen.

Der Markt mit Schokoriegeln sei ein sehr grosser Markt, vor allem in den USA und in Grossbritannien, sagte Tanner. Das Unternehmen sei daran, hier im grösseren Stil aktiv zu werden. Tests hätten gezeigt, dass Riegel sehr gut laufen würden. Laut Tanner wächst der Markt in den USA und Grossbritannien rasant.

AKTIEN LEICHT UNTER DRUCK

Obwohl die Meldung als solche überraschend kam, sind Marktbeobachter nicht allzu erstaunt, dass Ernst Tanner kürzer tritt. Die ZKB etwa ist vor dem Hintergrund seines Jahrgangs (1946) davon ausgegangen, dass er sich "eher früher als später" auf das Amt des VR-Präsidenten konzentrieren könnte, wie es in einem Kommentar heisst. Die Nachfolgelösung überrasche derweil auf den ersten Blick, da es eher unüblich sei, dass ein CFO Konzernchef werde.

Weisskopf geniesse jedoch bei Analysten und Investoren eine sehr hohe Glaubwürdigkeit und zähle zweifellos zu den besten Finanzchefs der Schweiz. Zudem sei er neben Tanner einer der wichtigsten Architekten des Erfolgs, da er auch die Verantwortung für den Einkauf und die Produktion trage und seit Jahren durch ein ausserordentlich starkes operatives Detailwissen aufgefallen sei. Der Wermutstropfen dieses Managementwechsels sei daher, dass Weisskopf nicht einfach als CFO zu ersetzen sein werde.

Die Bank Vontobel zeigt sich in ihrem Kommentar zwar überrascht über die News, meint aber auch, dass der Wechsel nichts an der Strategie und der operativen Performance des Konzerns ändern dürften.

Trotzdem reagieren die Lindt-Papiere mit leichten Abgaben. Der liquidere PS verliert kurz vor Mittag in einem positiven Gesamtmarkt (SPI +0,3%) rund 0,3% auf 5'990 CHF, bei der schweren Namenaktie sind die Abgaben etwas grösser mit 0,8% auf 72'355 CHF. Die Papiere notieren aber beide nicht weit vom Allzeit-Hoch entfernt.

uh/ra