BERLIN (dpa-AFX) - Deutlich höhere Steuern haben den Gewinn des Kochboxenversenders Hellofresh geschmälert. Der Überschuss fiel im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um etwas mehr als ein Viertel auf 84 Millionen Euro, wie der Dax-Kandidat am Dienstag bei der Vorlage der detaillierten Quartalszahlen in Berlin mitteilte. Anders als viele junge Unternehmen wie zum Beispiel der im Dax notierte Essenslieferdienst Delivery Hero ist Hellofresh profitabel.

Auch auf Halbjahressicht gingen die Steuern nach oben - dank eines guten ersten Quartals blieb aber mit rund 185 Millionen Euro deutlich mehr beim Konzern hängen als ein Jahr zuvor. Zum einen stiegen die Steuern, weil Hellofresh im Vorjahr noch viele Verlustvorträge ansetzen konnte. Die Ertragssteuern seien jetzt wieder normalisiert. Zum anderen musste das Unternehmen mehr zahlen, weil es mehr erwirtschaftet hatte.

Die im MDax notierte Aktie zog nach den Zahlen deutlich an. JPMorgan-Analyst Marcus Diebel schrieb in einer ersten Einschätzung, das Unternehmen habe ordentlich abgeschnitten und zeige in der ersten Jahreshälfte eine gute Entwicklung der Kundenzahlen. Allerdings dürfte der Fokus der Anleger auf den Gründen für die gesenkte Prognose für die Marge auf Basis des operativen Gewinns sowie den jüngsten Handelsentwicklungen liegen.

Er bleibe dem Hellofresh-Papier gegenüber auch wegen möglicherweise steigender Marketingkosten für die Kundenbindung und -akquise vorsichtig. Tatsächlich hatte das Unternehmen deutlich mehr Geld in Marketing gesteckt: Bis Ende Juni waren die Ausgaben dafür mehr als doppelt so hoch als im Vergleichszeitraum. Die Anleger setzen weiter auf die Aktie, die zu den größten Corona-Gewinnern am deutschen Aktienmarkt zählt. Sie honorieren die Wachstumsaussichten.

Am Dienstag legte der Kurs in den ersten Handelsminuten bis zu fast vier Prozent auf 79,66 Euro zu. Damit bügelte die Aktie die Delle nach der am Donnerstagabend gesenkten Margenprognose wieder aus. Seit Ende Januar 2020, also bevor die Corona-Pandemie die Welt erfasste, summiert sich das Kursplus auf mehr als 250 Prozent - mehr hat kein deutscher Standardwert seitdem zugelegt. Mit einem Börsenwert von 14 Milliarden Euro steht das Unternehmen zudem vor dem Aufstieg in den Dax, wenn dieser im September von 30 auf 40 Werte erweitert wird.

Konzernchef Dominik Richter zeigte sich mit dem Geschäftsverlauf in den vergangenen Monaten zufrieden: "Wir haben in beiden Segmenten ein starkes Wachstum erzielt, obwohl die Zahlen des Vergleichsquartals sehr gut waren, weil das zweite Quartal des Jahres 2020 wohl das Quartal war, das am stärksten von Lockdowns betroffen war", sagte Konzernchef Dominik Richter laut Mitteilung. In der Tat hatte Hellofresh infolge von Lockdowns weltweit davon profitiert, dass Menschen verstärkt zu Hause blieben und es keine Ausgehmöglichkeiten gab.

Im abgeschlossenen Quartal konnte der Kochboxenversender, der mittlerweile auch verzehrfertige Gerichte anbietet, erneut bei Kunden und Bestellungen zulegen. Vor allem in den USA, die mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes beisteuert, konnte Hellofresh punkten. In einer Telefonkonferenz schloss Richter nicht aus, dass das Unternehmen künftig neue Marken vertreiben wolle. Wann genau, sei noch unklar, aber über die nächsten Jahre könne er sich weitere Marken zu den bisherigen wie Hellofresh, EveryPlate oder Green Chef vorstellen.

Mit Blick auf die neue Konkurrenz aus dem Bereich Quick Commerce (Q-Commerce) sagte Richter, dass Lieferdienste wie Gorillas, Flink und Getir keine große Veränderung bedeuteten: "Wir haben davor auch schon mit Super- und Wochenmärkten konkurriert." Richter zeigte sich zuversichtlich, dass mehrere Essensliefermodelle nebeneinander existieren können.

So liegt der Fokus von Hellofresh auf dem Versand von vorportionierten Gerichten, die Menschen zu Hause frisch kochen können, sowie auf verzehrfertigen Mahlzeiten. Q-Commerce-Dienste haben hingegen zeitkritische Zustellungen von alltäglichen Lebensmitteln und Produkten binnen weniger Minuten im Blick.

Hellofresh hatte bereits in der vergangenen Woche die Latte für den Umsatz im laufenden Jahr höher gelegt. Wegen höherer Investitionen in das weitere Wachstum wurde aber die Prognose für die Profitabilität gesenkt. Die Marge gemessen an dem um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) liegt jetzt bei 8,25 bis 10,25 Prozent statt bei 10 bis 12 Prozent. Beim Umsatz rechnet das Unternehmen jetzt mit einem um Währungseffekte bereinigten Anstieg um 45 bis 55 Prozent. Zuvor hatte die Prognose 35 bis 45 Prozent betragen.

Der Erlös der Monate April bis Juni legte - wie bereits bekannt - um 60 Prozent auf 1,56 Milliarden Euro zu. Der bereinigte operative Gewinn stieg um knapp drei Prozent auf 158 Millionen Euro. Langfristig sieht Konzernchef Richter das Unternehmen auf dem richtigen Pfad. Mit dem erweiterten Angebot sei der Grundstein gelegt, um das mittelfristige Umsatzziel von 10 Milliarden Euro zu erreichen. Dabei hilft auch die geplante Expansion nach Italien und Japan. Anfang Juli hatte Hellofresh seine Dienste nach Norwegen ausgeweitet und wenige Tage darauf angekündigt, sein Portfolio durch den Zukauf des australischen Fertigessensanbieters Youfoodz auszubauen./ngu/zb/jha/