BERLIN (dpa-AFX) - Mit einer neuen Grundrente, paritätisch finanzierten Krankenkassen und Soforthilfe gegen den Pflegenotstand planen die Spitzen von Union und SPD umfangreiche soziale Verbesserungen. Die SPD konnte sich mit ihrer Forderung nach einem Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit durchsetzen, wenn auch in etwas abgeschwächter Form. Die CSU konnte eine Ausweitung der Mütterrente durchsetzen. Die von der SPD geforderte Bürgerversicherung gegen die Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ist nach den Sondierungen vorerst vom Tisch.

Mütter, die ihre Kinder vor 1992 auf die Welt gebracht haben, sollen künftig auch das dritte Jahr Erziehungszeit in der Rente angerechnet bekommen, heißt es in dem Ergebnispapier aus den Sondierungen über eine Neuauflage der großen Koalition. Die CSU hatte auf die "Mütterrente II" gedrungen. Sie soll allerdings nur gelten für Mütter, die vor 1992 drei oder mehr Kinder zur Welt gebracht hatten. Die Deutsche Rentenversicherung hatte zuvor betont, die von der CSU geforderte Ausweitung der Mütterrente koste sieben Milliarden Euro und müsse aus Steuermitteln finanziert werden.

Menschen, die Jahrzehnte gearbeitet, Kinder erzogen, Angehörige gepflegt haben, sollen nach 35 Beitragsjahren eine Grundrente zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung erhalten. Selbstständige sollen fürs Alter vorsorgen müssen, gesetzlich oder in anderer Form.

Das Rentenniveau soll bis 2025 auf 48 Prozent gehalten, für die Zeit danach soll eine Rentenkommission eingerichtet werden. Nach derzeitigen Prognosen der Rentenversicherung dürfte das Niveau in den kommenden fünf Jahren ohnehin bei rund 48 Prozent stabil bleiben.

Die Gremien von Union und SPD müssen den Sondierungsergebnissen noch zustimmen. Bei der SPD kommt es auf einen Parteitag an, der grünes Licht für mögliche Koalitionsverhandlungen geben soll.

Geplant ist eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Demnach sollen die Beiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden. Derzeit gibt es einen festen allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen bezahlen. Dazu kommt ein Zusatzbeitrag, den die Kassenmitglieder alleine schultern müssen. Er liegt im Schnitt bei 1 Prozent.

Die Sozialverbände SoVD und VdK begrüßten die Rückkehr zur Parität, der VdK auch im Grundsatz die Stabilisierung des Rentenniveaus. Die Zugangsvoraussetzungen für die Grundrente seien aber fern der Lebenswirklichkeit, sagte VdK-Chefin Ulrike Mascher.

Gegen den akuten Mangel an Pflegekräften sollen Arbeitsbedingungen und Bezahlung in Altenheimen und Kliniken "sofort und spürbar" verbessert werden. Zusätzliche Stellen sollen gefördert werden.

Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozentpunkte gesenkt werden. Die Sozialabgaben - das war eine zentrale Forderung der Union - sollen unter 40 Prozent stabilisiert werden.

Das im Sommer 2017 gescheiterte Recht auf befristete Teilzeit wollen Union und SPD nun einführen. Dieser Teilzeitanspruch soll nur für Unternehmen ab 45 Mitarbeitern gelten. Bei Firmengrößen zwischen 45 und 200 Mitarbeitern soll lediglich einem pro 15 Mitarbeitern der Anspruch gewährt werden müssen. Während die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in der vergangenen Wahlperiode das Rückkehrrecht für Unternehmen ab 15 Beschäftigten vorsah, hatten Union und Arbeitgeber die Schwelle bei 200 Beschäftigten festlegen wollen.

Angesichts der Digitalisierung soll es im Arbeitszeitgesetz eine Öffnungsklausel geben, um in tarifgebundenen Unternehmen flexiblere Arbeitszeiten zuzulassen. Auch dies war bereits geplant gewesen.

Es soll mehr Hilfe für Langzeitarbeitslose geben: Im Hartz-IV-Gesetz soll ein neues Instrument "Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle" eingeführt werden. Geprüft werde mehr Schonvermögen bei Hartz IV.

Das Kindergeld soll um 25 Euro pro Kind und Monat erhöht werden. Der Kinderzuschlag für Einkommensschwache soll ebenfalls erhöht werden./bw/DP/nas