-- Arbeitslosenzahl sinkt saisonbereinigt um 37.000

-- Im Dezember 2,707 Millionen Menschen ohne Beschäftigung

-- Heil setzt auf Wirtschaftserholung ab dem Sommer

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Von Andreas Kißler

NÜRNBERG/BERLIN (Dow Jones)--Der Arbeitsmarkt in Deutschland hat sich im Dezember in saisonbereinigter Rechnung erneut wesentlich günstiger entwickelt als erwartet. Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) berichtete, sank die Arbeitslosenzahl bereinigt um saisonale Einflüsse gegenüber November um 37.000 Personen. Damit sind nun 2,707 Millionen Menschen ohne Beschäftigung. Politiker und Ökonomen lobten die Verfassung des Arbeitsmarktes in der Corona-Krise. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigte Hoffnung auf eine bessere Wirtschaftslage.

Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte hatten noch einen Anstieg der Arbeitslosenzahl um 5.000 Personen erwartet. Im November hatte sich die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt in korrigierter Rechnung bereits entgegen den Erwartungen um 40.000 Personen verringert. Die BA hatte ursprünglich ein Minus von 39.000 angegeben. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote verharrte im Dezember entsprechend den Erwartungen bei 6,1 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr waren 480.000 Menschen mehr arbeitslos gemeldet.


 
Nachfrage der Betriebe stabilisiert sich 

Nicht saisonbereinigt ist die Arbeitslosenzahl im Vergleich zum Vormonat um 8.000 gestiegen. Die Arbeitslosenquote blieb unbereinigt bei 5,9 Prozent. Bei der Saisonbereinigung werden jahreszeitliche Schwankungen zum Beispiel durch übliche Wettereinflüsse herausgerechnet. "Die Zahl der arbeitslosen Menschen ist im Dezember gestiegen - aber nicht so stark wie sonst in diesem Monat", sagte der Vorstandsvorsitzende der BA, Detlef Scheele. "Die Anzeigen für Kurzarbeit haben wieder zugenommen - jedoch nur in begrenztem Umfang. Die Nachfrage der Betriebe stabilisiert sich auf einem niedrigeren Niveau."

Personen aus Politik und Ökonomie betonten die angesichts der Corona-Krise vergleichsweise gute Verfassung des Arbeitsmarktes. "Angesichts der Schwere der wirtschaftlichen Herausforderung infolge der Corona-Pandemie zeigt sich der Arbeitsmarkt widerstandsfähig", erklärte Heil. Die Maßnahmen zur Überwindung der wirtschaftlichen Krise zeigten Wirkung. "Der Teillockdown schlägt sich zum Jahresende bisher nur geringfügig auf dem Arbeitsmarkt nieder", konstatierte er.

Der Arbeitsminister betonte, er sehe "die realistische Chance, dass sich die Wirtschaft ab dem Sommer 2021 wieder erholt und deutlich an Fahrt gewinnt". Diese Entwicklung werde sich auch auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen. Bis dahin sei auch das Kurzarbeitergeld eine wichtige Brücke, um Menschen in Arbeit zu halten und die Wirtschaft zu befähigen, ab dem Sommer "wieder durchzustarten".


 
Neueinstellungen stärker fördern 

Grünen-Arbeitsmarktexperte Wolfgang Strengmann-Kuhn forderte die Regierung dazu auf, nicht länger am Arbeitsmarkt "nur auf Sicht zu fahren". Die Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt würden die Politik auch im neuen Jahr noch länger beschäftigen. "Wir müssen endlich die Zukunft wieder in den Blick nehmen", forderte er. Kurzfristig sei es wichtig, Neueinstellungen stärker zu fördern. Es dürfe nicht sein, dass sich Arbeitslosigkeit weiter verfestige, und insbesondere jungen Menschen müsse der Start ins Erwerbsleben erleichtert werden.

"Gleichzeitig müssen zukünftige Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt endlich angepackt werden", forderte er. Die Regierung habe es versäumt, Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit schon während der Corona-Krise mit einer Weiterbildungsoffensive zu verknüpfen. Es müssten Anreize geschaffen werden, sich in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit weiterzubilden. Die Grünen schlügen daher einen Weiterbildungsbonus von 200 Euro auf das Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld vor. Selbstständige und Menschen mit Minijobs müssten zudem besser gefördert werden. Auch solle die Arbeitslosenversicherung für alle Erwerbstätigen geöffnet werden.

Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, erklärte, der deutsche Arbeitsmarkt sei "bisher mit einem blauen Auge durch die Pandemie gekommen". Insbesondere das Kurzarbeitergeld habe Beschäftigung gesichert und Arbeitslosigkeit verhindert. "Jetzt kommt es darauf an, dass die Politik die richtigen Weichen stellt und eine schnelle Rückkehr zum Wachstum ermöglicht", forderte er. Hierzu gehöre eine kluge und umfassende Impfstrategie, die sowohl mit den Parlamenten als auch mit der Wirtschaft abgestimmt sei. "Denn eines ist klar: Die Steigerung der Impfgeschwindigkeit ist ein zentraler Wettbewerbsvorteil", erklärte Kampeter. Je schneller große Teile der Bevölkerung geimpft seien, desto schneller könne sich die Wirtschaft erholen und damit Beschäftigung sichern.


 
Staatshilfen und Kurzarbeitergeld wirken 

Auch Ökonomen betonten die angesichts der Corona-Krise vergleichsweise gute Verfassung des Arbeitsmarktes. "Bisher zeigt der Arbeitsmarkt sich weitgehend robust gegenüber den Betriebsschließungen zur Eindämmung der Pandemie", erklärte die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib. Das sei vor allem den staatlichen Hilfen für betroffene Unternehmen und dem Kurzarbeitergeld zu verdanken. Die Risiken am Arbeitsmarkt blieben allerdings hoch. "Die weitere Entwicklung hängt stark vom Pandemieverlauf ab und welche Eindämmungsmaßnahmen erforderlich werden, um die Infektionszahlen zu vermindern", betonte sie. ING-Chefökonom Carsten Brzeski betonte, der Arbeitsmarkt sei im Dezember stabil geblieben. Er warnte aber angesichts der erneuten Zunahme der Kurzarbeit und der Auswirkungen des andauernden Lockdowns vor "zu viel Optimismus".

Laut BA lag die Arbeitslosenzahl im Jahresdurchschnitt 2020 bei 2,695 Millionen. Das waren 429.000 Menschen mehr als 2019. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich im Jahresdurchschnitt gegenüber dem Vorjahr um 0,9 Prozentpunkte auf 5,9 Prozent. "Der Einbruch am Arbeitsmarkt vom Frühjahr wirkt noch nach", sagte Scheele. "Die Folgen der Corona-Pandemie und der Maßnahmen zu ihrer Eindämmung sind weiterhin sehr deutlich sichtbar. Die stabilisierende Wirkung der Kurzarbeit hat jedoch Beschäftigung gesichert und eine höhere Arbeitslosigkeit verhindert."

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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January 05, 2021 06:04 ET (11:04 GMT)