--Höheres Wachstum bei Abbau von Lieferengpässen möglich

--Verband: 2021 für Elektro- und Digitalindustrie sehr erfolgreich

--Erstmals knapp 200 Milliarden Umsatz

(NEU: weitere Aussagen von der Pressekonferenz)

Von Andreas Kißler

FRANKFURT/BERLIN (Dow Jones)--Nachdem das Jahr 2021 für die Elektro- und Digitalindustrie nach Angaben ihres Branchenverbandes ZVEI insgesamt sehr erfolgreich war, hat sich der Verband auch für 2022 zuversichtlich gezeigt. "Stand heute gehen wir von einem Produktionsplus von 4 Prozent aus", sagte ZVEI-Präsident Gunther Kegel. Könnten die hohen Auftragsbestände abgebaut werden, könnte das Wachstum aber "auch noch deutlich darüber liegen", erklärte er bei einer Online-Pressekonferenz. "Dann wird diese Prognose sicherlich überschritten werden."

Der ZVEI-Präsident wies aber auch auf große Unsicherheiten bei der diesjährigen Prognose hin. "Als eine von wenigen Branchen ist es gelungen, die Verluste aus dem Vorjahr mehr als nur wettzumachen", sagte er mit Blick auf 2021. "Die Zahlen sind umso beachtlicher, weil auch das zurückliegende Jahr von der Corona-Pandemie und Lieferengpässen bestimmt war."


   Erstmals knapp 200 Milliarden Umsatz 

Die Produktion stieg nach Angaben des Verbandes zwischen Januar und November 2021 um gut 9 Prozent, die nominalen Erlöse legten im gleichen Zeitraum um knapp 10 Prozent zu. Auf das gesamte vergangene Jahr hochgerechnet habe der Umsatz erstmals knapp die 200-Milliarden-Euro-Marke erreicht. Nahezu alle Teilbranchen zeigten demnach eine positive Entwicklung. Die Beschäftigtenzahl habe um mehr als 5.000 auf 877.000 zugelegt, während die Kurzarbeit deutlich auf 15.000 zurückgegangen sei. "Es ist der Branche im vergangenen Jahr sehr gut gelungen, die Pandemie-Situation zu managen", konstatierte Kegel. Die Sicherheitsmaßnahmen hätten gegriffen.

Wichtig sei, "dass das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben weiter aufrechterhalten bleibt, auch wenn uns neue Virusvarianten vor neue Herausforderungen stellen". Dies schließe aber notwendige Schutzmaßnahmen nicht aus. Zu schaffen mache der Branche die anhaltende Materialknappheit. Ohne die vorhandenen Lieferengpässe hätte der Umsatz 2021 deutlich höher ausfallen und die 200-Milliarden-Euro Marke geknackt werden können. Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie erwartete frühestens ab Jahresmitte eine Besserung der Lage.

"Insgesamt gehen wir davon aus, dass trotz leichter Entspannung keinerlei Rückkehr zur Normalität zu erwarten ist", sagte Kegel. "Wir werden also das ganze Jahr 2022 noch unter einem Chipmangel leiden, wenn auch mit schwächer werdender Tendenz." Für 2023 hoffe der ZVEI dann auf die Rückkehr "zu einer gewissen Normalität". Die Unternehmen der Branche schieben nach Angaben des Verbandes bereits einen Auftragsbestand in einer Rekordhöhe fünf Monaten vor sich her. "Die Aufträge, die wir brauchen, um über das Jahr 2022 hinweg zu kommen, sind eigentlich schon zur Hälfte in den Büchern", stellte Kegel fest.


   Europa soll bei der Förderung nicht zurückstehen 

Mit Blick auf die unter Druck stehenden globalen Lieferketten und die Vernetzung der Branche mahnte der Verband, die technologische Souveränität und Resilienz Europas dringend zu stärken. Europa müsse mit eigenen Kompetenzen stark und souverän agieren können, ohne protektionistisch zu sein. Dazu müsse beispielsweise die EU das zweite europäische IPCEI-Förderprojekt für Mikroelektronik jetzt schnell auf den Weg bringen. "Wenn anderswo Milliarden-Förderungen erfolgen, darf Europa nicht zurückstehen", meinte Kegel.

Die wachstumsfördernden Megatrends Elektrifizierung und Digitalisierung seien unmittelbar mit der Elektro- und Digitalindustrie verbunden und durch die Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung nochmals verstärkt worden. "Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, muss die Elektrifizierung mit durchgängiger Kopplung der klimarelevanten Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Mobilität jetzt entschlossen angegangen werden", verlangte der Vorsitzende der ZVEI-Geschäftsführung, Wolfgang Weber. Auch brauche die Infrastruktur in Deutschland insgesamt eine Verjüngungskur.

Der ZVEI forderte die Ampel-Koalition auf, schnell Maßnahmen zu ergreifen, die die Entwicklung zu einer "All-Electric-Society" unterstützten. Eine Schlüsselrolle nehme dabei der Strompreis ein. "Um erneuerbaren Strom als vorrangigen Energieträger attraktiv zu machen, muss der Strompreis rascher gesenkt werden - für alle", sagte Weber. Die Abschaffung der EEG-Umlage allein reiche nicht. Auch die Stromsteuer müsse gesenkt und für erneuerbaren Strom vollständig abgebaut werden.

"Für erneuerbaren Strom sollte die Stromsteuer gleich auf null herabgesetzt werden", verlangte Weber. Allerdings sprach er sich dagegen aus, dass der Staat auch die Strompreise insgesamt festlegen sollte, wie derzeit gefordert werde. "Das wäre eine falsche Maßnahme", warnte er. Der Staat solle aber alles, was er bei Regulierung und Um- sowie Auflagen bei der Strompreisgestaltung tun könne, "jetzt rasch angehen".

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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January 24, 2022 05:19 ET (10:19 GMT)