Von Nathaniel Taplin

LONDON (Dow Jones)--Sanktionen und andere Handelsbeschränkungen sind sehr schwer allein durchzusetzen. Das gilt selbst für ein so großes Land wie die USA. Ein gewisses Maß an Belästigung von Freunden und Verbündeten - zusammen mit verschleierten Drohungen und Anreizen - gehört zum Repertoire eines erfolgreichen Sanktionsregimes. Aber der Fall der Türkei ist besonders irritierend.

Die Türkei ist ein Nato-Verbündeter und hat die Ukraine mit Drohnen beliefert, die zu Beginn des Krieges einen entscheidenden Unterschied gemacht haben. Außerdem hat das Land dazu beigetragen, den Pakt mit Russland auszuhandeln, der dafür sorgt, dass die Welt mit ukrainischem Getreide versorgt werden kann. Aber es hat sich auch zu einem wichtigen Transitpunkt für Halbleiter und andere potenziell militärische elektrische Geräte nach Russland entwickelt. Zudem ist es ein beliebtes Ziel für russische Touristen und für russische Fluggesellschaften, die in den USA hergestellte Flugzeuge für den Transit fliegen. Die Türkei ist auch ein wichtiger Abnehmer russischer Energie - während sie gleichzeitig den Beitritt Schwedens und Finnlands zum Militärbündnis aufhält.

Es ist auch ein Land in einer tiefen Wirtschaftskrise, das sich von einem verheerenden Erdbeben erholt. Der Handel mit Russland ist zu einer wichtigen wirtschaftlichen Lebensader geworden.

All dies macht jeden ernsthaften Versuch sehr schwer, das Land zu einer stärker distanzierten Haltung gegenüber Russland zu drängen. Das bedeutet wahrscheinlich, dass viele Hightech-Güter und andere Schlüsselausrüstungen weiterhin durch die Türkei nach Russland gelangen. Eine neue Regierung nach der Wahl im Mai könnte dieses Kalkül ändern. Aber das gilt wahrscheinlich nur, wenn der Westen und seine Verbündeten bereit sind, mit massiver finanzieller Unterstützung einzuspringen, um die Vorteile der besonderen Beziehung des Landes zu Russland auszugleichen. Der Eckpfeiler dieser Beziehung ist - wenig überraschend - Energie. Zum großen Teil wegen des Beharrens der Erdogan-Regierung auf einer höchst unkonventionellen Geldpolitik lag die türkische Inflation bereits im Dezember 2021 bei 36 Prozent. Der Anstieg der Ölpreise und Handelsstörungen zu Beginn des Krieges haben sie dann aufgeheizt. Die türkische Lira wertete erneut stark ab, und die Inflation kletterte auf bis zu 85 Prozent.


   Billiges russisches Öl dient der Türkei als Inflationsbremse 

So schlimm das schon ist, die Situation wäre ohne die Subventionen aus russischem Öl, das mit einem kräftigen Abschlag auf die globale Benchmark von Brent-Rohöl importiert wurde, wahrscheinlich noch viel schlimmer gewesen. Der Abschlag rangierte bei rund 20 US-Dollar pro Barrel für einen Großteil des Jahres 2022. Im Jahr 2021 kamen rund 28 Prozent der türkischen Importe von mineralischen Brennstoffen und Öle, eine Handelskategorie, die Rohöl umfasst, nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) aus Russland. Im Jahr 2022 waren es 43 Prozent - und fast 60 Prozent des Nettoausgabenanstiegs gingen an Russland. Inzwischen machen Verkehr, Strom und Kraftstoff direkt fast ein Viertel des Verbraucherpreiskorbs der Türkei aus.

Die Auswirkungen kletternder Exporte nach Russland waren weniger dramatisch. Aber sie sind immer noch wichtig im Zusammenhang mit einem Handelsdefizit, das sich von rund 4 Milliarden Dollar pro Monat Mitte 2021 auf etwa das Doppelte bis zum letzten Quartal 2022 hochschaukelte. Außerdem schlug der Run auf die Inlandswährung ins Kontor, der Ankara zwang, viele auf Lira lautende Einlagen gegen Währungsabwertung zu garantieren. Laut Zahlen des Datenanbieters CEIC kletterten die Gesamtexporte der Türkei im vergangenen Jahr trotz des inflationären Ausbruchs um 13 Prozent, aber die Exporte ohne Russland legten nur um 11 Prozent zu. Die Exporte nach Russland katapultierten sich um 62 Prozent nach oben.

Da die Ölpreise Anfang 2023 etwas in die Knie gegangen sind, ist auch die türkische Inflation leicht gesunken. Sie betrug im Februar 55 Prozent. Aber das Land sieht sich jetzt mit einem sich schnell verlangsamenden Wachstum konfrontiert - 3,5 Prozent im Jahresvergleich im vierten Quartal, gegenüber 9,6 Prozent im Vorjahr - und den kostspieligen Folgen eines großen Erdbebens.

Sicher, die höchst unkonventionelle Geldpolitik der Erdogan-Regierung - Zinssenkungen inmitten steigender Inflation - und andere Fehltritte tragen eine große Verantwortung für die wirtschaftlichen Probleme der Türkei. Aber der Aufstieg der Nation zu einem wichtigen Handelspartner für ein zunehmend isoliertes Russland zeigt auch eine der harten Realitäten breit angelegter Sanktionen. Eine strenge Durchsetzung ist immer mit erheblichen politischen und wirtschaftlichen Kosten verbunden. Und sie bringt leider manchmal natürliches oder von Menschen verursachtes Unglück mit sich.

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March 30, 2023 10:37 ET (14:37 GMT)