PRAG (dpa-AFX) - Einst besang sogar eine Volksmusikband den Einkaufstourismus ins Nachbarland Tschechien: "Wu alles e su billig is, dort kaafn mir heit ei", heißt es in einem Lied der Erzgebirgsband De Randfichten. Doch die Inflation sorgt seit langem für steigende Preise jenseits der Grenze. Zudem will die liberalkonservative Regierung unter Ministerpräsident Petr Fiala nun die Steuern erhöhen.

Das Kabinett verspricht, Tschechien in den nächsten Jahren "in Form zu bringen" und die Neuverschuldung zu verringern. Wer bisher aus Deutschland zum Zigarettenkauf zu einem der vielen tschechischen Grenzmärkte gefahren ist, muss sich auf eine unangenehme Überraschung gefasst machen. Die Verbrauchssteuer auf Tabakprodukte soll nach Steuerfahrplan vom nächsten Jahr an um zehn Prozent steigen - und in den folgenden Jahren bis 2027 um jeweils weitere fünf Prozent. Auch auf Liquids in E-Zigaretten wird künftig eine Steuer fällig.

Vom nächsten Jahr an werden im Schnitt acht Kronen (0,33 Euro) Steueraufschlag je Schachtel fällig, wie Japan Tobacco International ("Camel", "Winston") berechnet hat, danach jährlich 21 Cent. "Die Preise in Deutschland und Tschechien gleichen sich an - und zwar schnell", sagt Firmensprecher Jiri Sochor. Er rät bei vermeintlichen Schnäppchenangeboten zur Vorsicht. Denn Schätzungen zufolge seien rund zwei Prozent aller in Tschechien konsumierten Zigaretten gefälscht.

Eine Schachtel einer bekannten Markenzigarette ist in Tschechien derzeit für 149 Kronen, umgerechnet rund 6,14 Euro, erhältlich. In Deutschland sind es knapp 6,90 Euro, wenn man gleich eine größere Menge kauft. Tschechische Suchtexperten fordern schon seit langem effektivere Maßnahmen gegen die Nikotinsucht. Laut der Gesundheitsbehörde SZU sind 24,4 Prozent der Bevölkerung Gelegenheits- oder Gewohnheitsraucher.

Das Konsolidierungspaket der Regierung in Prag sieht noch zahlreiche weitere Maßnahmen vor. Es soll bis zum Jahresende das Parlament passieren, Änderungen sind möglich. Die Körperschaftssteuer für Unternehmen soll ab 2025 von 19 auf 21 Prozent steigen, Subventionen für Firmen gekürzt werden. Künftig soll es nur noch zwei Mehrwertsteuersätze von 21 und 12 Prozent geben. Für gezapftes Bier in der Gastronomie wird nach den Plänen der volle Satz fällig - manche Gastwirte drohen bereits mit der Schließung ihrer Lokale.

Restaurantbesuche sind in Tschechien ohnehin nicht mehr ganz so billig wie früher. Nach einer Studie der Firma Edenred, die Verpflegungsgutscheine für Angestellte von Unternehmen anbietet, stieg der Durchschnittspreis für ein Mittagessen im ersten Halbjahr um 2,7 Prozent auf 182,4 Kronen. Umgerechnet sind das rund siebeneinhalb Euro. In der Hauptstadt Prag kostete ein Essen im Schnitt einen Euro mehr.

Tschechiens Regierungschef Fiala räumte ein, dass die geplanten Steuererhöhungen unangenehm seien und schmerzten. "Doch ich bin mir sicher, dass das ein annehmbarer Preis ist für künftige Prosperität", betonte der 58-Jährige. Bereits im nächsten Jahr werde man eines der Maastricht-Kriterien für die Aufnahme in die Eurozone erfüllen können, versprach Fiala, nämlich das Drei-Prozent-Ziel beim Staatsdefizit. Ein Zieldatum für den Euro will in Prag indes keiner nennen. Fiala, der seit Ende 2021 an der Spitze einer Fünf-Parteien-Koalition steht, kämpft aktuell mit schlechten Vertrauenswerten.

In einer Umfrage vom Frühjahr gaben 95 Prozent der Befragten an, sich wegen der Inflation Sorgen um ihre Finanzen zu machen. Und die Teuerung hat Tschechien weiter fest im Griff - im Juni stiegen die Preise im Jahresvergleich um 9,7 Prozent. Viele Tschechen sehen sich deshalb längst jenseits der Landesgrenzen um - beim nördlichen Nachbarn Polen.

Das Kabinett in Warschau hat die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel vorübergehend auf null gesenkt. Die Gewerkschaften in Tschechien fordern eine Regulierung der Preise, finden damit aber kein Gehör. Für Anfang September haben sie eine weitere Protestaktion gegen die Renten-, Spar- und Steuerpolitik der Regierung angekündigt./hei/DP/zb