Die Zentralbank in Moskau verdoppelte am Montag den Leitzins auf 20 Prozent von 9,5 Prozent. "Dies ist notwendig, um die Finanz- und Preisstabilität zu unterstützen und die Ersparnisse der Bürger vor Wertverlusten zu schützen", hieß es zur Begründung. Damit reagierte die Notenbank auf weitere Sanktionen der Europäischen Union, die sich auch gegen die Zentralbank selbst richten. Die Moskauer Börse blieb weitgehend geschlossen. Die russischen Streitkräfte setzten ihre Offensive in der Ukraine unterdessen fort. Dessen ungeachtet wollten Vertreter der russischen und der ukrainischen Regierung zu einem ersten Gespräch zusammenkommen.

Der Sprecher des Präsidialamts in Moskau, Dmitri Peskow, sagte Russland habe einen Plan zum Umgang mit den Sanktionen. Dieser werde nun angewendet. In der Nacht beschloss die EU, die Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Kraft zu setzen, die die weitere Finanzierung der Invasion erschweren sollen. Die neuen Restriktionen sollen verhindern, dass Russland seine hohen Devisenreserven etwa in Euro, Pfund und Dollar nutzen kann. Großbritannien kündigte einen ähnlichen Schritt an, die USA wollen folgen. Japan und Südkorea schlossen sich dem Ausschluss Russlands aus dem internationalen Finanzabwicklungssystem Swift an. Südkorea verhängte zudem einen Exportstopp für Hochtechnologiegüter an Russland. Der Rubel stürzte wegen der verschärften Sanktionen auf ein Rekordtief. Bereits am Sonntag hatten sich vor Bankautomaten in Russland Schlangen gebildet.

Bei russischen Staatsanleihen lösten die verschärften Sanktionen am Montag Panikverkäufe aus. So verloren die Papiere mit Laufzeiten bis 2024 und 2043 jeweils mehr als 50 Prozent an Wert. Im Gegenzug verdoppelten sich die Renditen auf 17,073 beziehungsweise 20,003 Prozent.

Auch bei Unternehmen und Banken zeigten die Maßnahmen erste Wirkung. Einige europäische Tochterunternehmen der staatlichen russischen Sberbank sind nach Angaben der Europäischen Zentralbank zahlungsunfähig oder werden es demnächst sein. Der britische Ölkonzern BP kündigte an, seinen knapp 20-prozentigen Anteil an dem staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft abzustoßen.

SORGE WEGEN MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN

Russische Truppen setzten auch in der Nacht zum Montag ihren Vormarsch in der Ukraine fort und stießen erneut auf Widerstand. Explosionen waren in der Hauptstadt Kiew und der zweitgrößten Stadt des Landes, Charkiw, zu hören. Kämpfe gab es demnach auch im Süden im Gebiet von Mariupol, wie der örtliche Regionalgouverneur mitteilte. Die ukrainische Seite berichtet über zahlreiche zivile Opfer der Angriffe, weil auch Wohngebiete beschossen würden. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax befand sich die Stadt Berdjansk am Asowschen Meer in der Hand des russischen Militärs. Auch hätten russische Truppen die Kontrolle über das Gebiet um das Atomkraftwerk Saporischschja übernommen. Eine weitere Eskalation des Konflikts hatte es am Sonntag gegeben, weil Russlands Präsident Wladimir Putin die Atomstreitkräfte seines Landes in Alarmbereitschaft versetzte.

Nach Angaben der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, wurden bei den Kämpfen bislang 102 Zivilpersonen getötet und 304 verletzt. Die tatsächlichen Zahlen dürften aber "erheblich höher" sein, sagte Bachelet in Genf. Jüngsten Zahlen zufolge seien in der Ukraine 422.000 Menschen auf der Flucht. UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte vor zunehmenden Menschenrechtsverletzungen. Die Vereinten Nationen würden diese mit Teams vor Ort beobachten. "Wir müssen allen Menschen in der Ukraine zeigen, dass wir in dieser Zeit der Not an ihrer Seite stehen." In New York sollte am Montag die UN-Vollversammlung zu einer seltenen Sondersitzung zusammenkommen.

Das Treffen russischener und ukrainischener Vertreter war an der belarussischen Grenze geplant. Hauptziel der Gespräche ist nach Angaben der ukrainischen Regierung ein sofortiger Waffenstillstand und der Abzug der russischen Truppen. Bei der UN-Vollversammlung hofften westliche Regierungen darauf, dass möglichst viele der 193 Mitgliedstaaten die russische Invasion verurteilen würden. Am Wochenende hatte es weltweite Demonstrationen gegen den russischen Angriff gegeben. Allein in Berlin demonstrierten mehr als 100.000 Teilnehmer für Frieden. In Russland sollen nach Protesten fast 6000 Menschen nach Angaben des OVD-Protestmonitors verhaftet worden sein.

Die russische Invasion führte am Wochenende zu weiteren Kurswechseln europäischer Regierungen. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte nicht nur an, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Deutschland will nun wie einige andere Staaten der Ukraine auch Waffen liefern. EU-Staaten und Kanada leiteten am Sonntag zudem die Schließung ihres Luftraums für russische Flugzeuge ein. Die US-Regierung prüft einen ähnlichen Schritt. Die russische Fluggesellschaft Aeroflot kündigte daraufhin an, alle Flüge nach Europa zu streichen. Die Lufthansa strich 30 Verbindungen nach Russland.