Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Der Bundesrechnungshof hat den von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgesehenen Nachtragshaushalt als "unter mehreren Aspekten verfassungsrechtlich zweifelhaft" kritisiert und empfohlen, ihn nicht zu beschließen. Mit dem Nachtragsbudget sollen 60 Milliarden Euro aus nicht in Anspruch genommenen Kreditermächtigungen, die eigentlich zur Bewältigung der Corona-Krise vorgesehen waren, in den Energie- und Klimafonds (EKF) übertragen werden, um in den kommenden Jahren klimafreundliche Investitionen zu fördern.

"Der für eine durch einen Notlagenkredit auf Basis der Schuldenregel erforderliche unmittelbare Veranlassungszusammenhang zwischen der Zuweisung von 60 Milliarden Euro an den EKF und der Bekämpfung der Corona Pandemie ist nicht schlüssig erläutert", monierten die Rechnungsprüfer in ihrer Stellungnahme für eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf, die am kommenden Montag im Bundestagshaushaltsausschuss geplant ist. Zudem werde "nicht die vorrangig zu nutzende Möglichkeit des Einsatzes der bestehenden Rücklage zur Deckung des (vermeintlichen) Zuweisungsbedarfs des EKF thematisiert".

Der Grundsatz der Jährlichkeit sowie die Funktion des Haushaltsplans als Instrument zur Deckung des für das Planungsjahr erwarteten Ausgabebedarfs würden in dem Nachtragshaushalt missachtet, erklärte der Rechnungshof weiter. "Unter Ausnutzung aufgeblähter Notlagenkredite wird das verfassungsrechtliche Verbot der Bildung von Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung ausgehebelt."

Zudem widerspreche eine parlamentarische Beschlussfassung über einen Nachtragsentwurf nach Abschluss des Haushaltsjahres der Funktion eines Haushaltsplans als Planungsinstrument. Außerdem erscheine sie auch "unter finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten unnötig", denn gegebenenfalls erforderliche Notlagenkredite könnten im Rahmen des in wenigen Wochen zu beratenden Haushaltsentwurfs 2022 beschlossen werden.

Der Bundesrechnungshof empfahl, auf die parlamentarische Verabschiedung des Nachtragshaushaltes zu verzichten. Sollte der Entwurf beschlossen werden, würde eine Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht "Rechtssicherheit für die kommenden Haushaltsjahre mit Blick auf den Umgang mit der Schuldenregel schaffen".

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January 07, 2022 09:35 ET (14:35 GMT)