St. Gallen (awp) - Wohneigentum wird in der Schweiz immer teurer. Tiefe Zinsen, ein knappes Angebot und eine hohe Nachfrage treiben die Preise auch dieses Jahr weiter nach oben. Wohneigentum wird damit immer mehr zum Privileg, resümiert die Raiffeisenbank ihre jüngste Studie zum Schweizer Immobilienmarkt.

Gegenüber dem ersten Quartal sind die Preise für Einfamilienhäuser zwar um -0,8 Prozent leicht zurückgegangen, im Vergleich zum zweiten Quartal des Vorjahres sind sie aber um rund 5 Prozent gestiegen. Der Trend zu immer teurer werdendem Wohneigentum zeigt sich auch beim Stockwerkeigentum mit einem Preisanstieg von 1,6 Prozent.

Für viele Schweizer rückt damit der Traum vom Eigenheim immer weiter in die Ferne, obwohl der Erwerb aufgrund der historisch tiefen Zinsen noch nie so attraktiv war wie heute. 71 Prozent der Schweizer Bevölkerung hätten zu wenig Vermögen, um sich ein typisches Einfamilienhaus leisten zu können. Eine noch grössere Hürde stelle aber die kalkulatorische Tragbarkeit dar, mit der die Banken einer Blase entgegenwirken wollen. In fast allen Schweizer Gemeinden verdient die Mehrheit der Haushalte zu wenig, um sich in der Nähe ein Einfamilienhaus kaufen zu können.

Tragbarkeitsrechnung ist die höchste Hürde

Die kalkulatorische Tragbarkeitsberechnung erweise sich in den meisten Fällen eine als schwierige bis unüberwindbare Hürde. So muss für den Erwerb eines Einfamilienhaus zum Preis von einer Million Franken ein Eigenkapital von 200'000 Franken aufgebracht und ein Jahreseinkommen von mindestens 176'000 Franken erzielt werden, rechnet die Genossenschaftsbank vor. Erst ab diesem Einkommen sei sichergestellt, dass die im Selbstregulatorium der Banken verwendeten kalkulatorischen Hypothekarzinsen von 5 Prozent zuzüglich 1 Prozent des Belehnungswertes für Amortisation und Unterhalt ein Drittel des Haushaltseinkommens nicht überstiegen würden.

Im Jahr 2018 lag der jährliche Bruttomedianlohn für Vollzeitangestellte in der Schweiz bei 81'000 Franken. Selbst wenn zwei Personen Vollzeit berufstätig wären, würde der Medianlohn nicht ausreichen, um die Tragbarkeitsbedingungen einer Belehnung zu erfüllen, rechnet Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff in der Studie "Immobilien Schweiz" vor.

"Die regulatorischen Beschränkungen und die rasante Preisentwicklung zwingen potenzielle Interessenten dazu, immer mehr Eigenkapital aufbringen und immer höhere Einkommen erzielen zu müssen, um überhaupt eine Hypothekarfinanzierung zu erhalten", erklärt Neff.

Grössere Gebiete, in denen die Mehrheit der Haushalte die Tragbarkeitsbedingungen für ein Durchschnittshaus erfüllen, seien nur noch in den sehr ländlichen und eher strukturschwachen Regionen des Jurabogens zu finden. In fast allen Gemeinden der Schweiz verbaut die hohe Hürde des kalkulatorischen Zinssatzes der Mehrheit der Bevölkerung den Traum vom Einfamilienhaus. In und um die grossen Städte könnten kaum noch zehn Prozent der Bevölkerung ein Eigenheim tragen.

Anstieg in Innerschweiz und Ostschweiz am höchsten

Die Preissteigerung beim Wohneigentum lässt sich in allen Schweizer Regionen feststellen. Bei den Einfamilienhäusern seien die Preisanstiege in den letzten vier Quartalen in der Innerschweiz mit +7,7 Prozent, der Ostschweiz mit +7 Prozent und Bern mit +6,4 Prozent am höchsten gewesen. In der Westschweiz seien die Preise für ein Einfamilienhaus unverändert geblieben. Beim Stockwerkeigentum hingegen liege die Westschweiz mit einem Preiswachstum von 5,6 Prozent vor der Innerschweiz mit +5,5 und der Genferseeregion mit +5,3 Prozent an der Spitze.

Die Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt hat Auswirkungen auf die Eigentumsquote. Nach einem Rekordhoch von 47,6 Prozent im Jahr 2013 sank der Anteil Haushalte, der in selbstgenutztem Wohneigentum lebt, gemäss Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) bis 2016 auf 44 Prozent. Bis heute verweilt die Eigentümerquote auf diesem tiefen Niveau. Die Schweiz bleibt hinsichtlich Wohneigentumsquote somit mit Abstand das Schlusslicht in Europa.

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