Berlin/Kiew (Reuters) - Deutschland macht die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine nicht von der gleichzeitigen Lieferung amerikanischer Kampfpanzer an das Land abhängig.

"Ein solches Junktim ist mir nicht bekannt", sagte der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius am Donnerstagabend in der ARD. Bislang hieß es in der Bundesregierung, Kanzler Olaf Scholz wolle die Überlassung von Leopard-Panzern nur, wenn die US-Regierung Abrams-Kampfpanzer liefere. Dagegen erhebt die US-Regierung bislang vor allem technische Einwände. Unterdessen schnürten EU- und Nato-Staaten ein neues milliardenschweres Paket neuer Waffenhilfen für die Ukraine.

Pistorius sagte auf die Frage, ob Deutschland auch ohne Beteiligung der USA Kampfpanzer liefern werde, dies erörtere Scholz mit dem US-Präsidenten Joe Biden. "Ich bin ziemlich sicher, dass wir in den nächsten Tagen eine Entscheidung dazu bekommen werden." Auf die Frage, ob Deutschland die Überlassung von Leopard-Panzern anderer Länder genehmigen werde, sagt er, das werde sich in den nächsten Stunden oder Freitagmorgen herausstellen. Unter anderem Polen hatte angeboten, der Ukraine den Panzer aus deutscher Produktion abzugeben. Alle Exporte von Leopard-Panzern müssen von der Bundesregierung genehmigt werden. Eine offizielle Anfrage liegt nach Regierungsangaben bislang nicht vor.

Ebenfalls in der ARD bekräftigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew den Wunsch nach den deutschen Panzern. Gleichzeitig kritisierte er die Haltung der Bundesregierung. Sich bei möglichen Waffenlieferungen an anderen Ländern zu orientieren, anstatt an den eigenen Möglichkeiten, sei nicht in Ordnung, sagte er in dem Interview. "Es ist nicht die Zeit des Handels, es die Zeit des Überlebens. Wir müssen überleben." Die Ukraine verteidige sich und habe nicht vor, Russland anzugreifen.

WESTLICHE STAATEN KÜNDIGEN UMFANGREICHE MILITÄRHILFEN AN

Im estländischen Tallinn kündigten elf westliche Staaten - darunter Deutschland - umfangreiche Hilfe an. "Wir verpflichten uns, gemeinsam ein nie dagewesenes Paket von Spenden bereitzustellen - einschließlich Kampfpanzern, schwerer Artillerie, Luftabwehr, Munition und Schützenpanzern für die Verteidigung der Ukraine", heißt es einer gemeinsamen Erklärung. Am Freitag treffen sich Verteidigungsminister westlicher Staaten auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein, um ihre Hilfe zu präzisieren.

In Berlin trat der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius sein Amt an und stimmte sich mit seinen französischen und amerikanischen Kollegen ab. US-Verteidigungsminister Colin Austin ging nach seinem Treffen nicht auf die umstrittenen Panzer-Lieferungen ein, sondern betonte stattdessen die enge Zusammenarbeit beider Regierungen.

POLEN UND NIEDERLANDE BIETEN LEOPARD-PANZER AN

Angesichts fortgesetzter russischer Angriffe ist die militärische Hilfe für die Ukraine unter westlichen Ländern unumstritten. Deutschland wird seit Tagen gedrängt, auch Leopard-Kampfpanzer zu liefern. Polen will 14 Leopard-2-Panzer abgeben, allerdings nur, wenn auch andere Länder diesen Panzer liefern. Die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren sagte, ihr Land mache eine Leopard-Lieferung von der deutschen Entscheidung abhängig. Das Unternehmen Rheinmetall bot nach Informationen des "Handelsblatts" aus Branchenkreisen an, innerhalb von 20 Monaten 100 Leopard-1- und Leopard-2-Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken.

Scholz hatte in den vergangenen Tagen mehrfach betont, dass er darauf bestehe, dass jeder neue qualitative Schritt gemeinsam mit den USA gegangen werden müsse. Erst vor zwei Wochen hatten die USA und Deutschland vereinbart, der Ukraine auch Schützenpanzer und Patriot-Luftabwehrsysteme zu liefern.

(Weiterer Reporter: Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Andreas Rinke und Andrius Sytas