Eine Frage der Perspektive / Kommentar zur Bloomberg-Innovationsstudie
von Stefan Reccius
Frankfurt (ots) - Angela Merkel kann stolz nach Davos reisen. Pünktlich zum 
Klassentreffen der Elite aus Politik und Wirtschaft, dem Weltwirtschaftsforum, 
hat der Datenanbieter Bloomberg Deutschland zum Innovations-Weltmeister gekürt. 
Im "Bloomberg Innovation Index 2020" hat die Bundesrepublik Südkorea von der 
Spitze verdrängt. Das ist aller Ehren wert, zumal die Bloomberg-Ökonomen nicht 
im Verdacht stehen, der Bundesregierung Gefälligkeitsgutachten auszustellen. 
Doch blenden lassen sollte man sich davon nicht.

Innovation, das klingt nach Fortschritt und Wohlstandsversprechen. Aber auch 
reichlich unspezifisch. Für Bloomberg ist es ein Sammelbegriff aus sieben 
Kategorien. Dass Deutschland in der Summe vorn liegt, verdankt es vor allem drei
Kategorien: Bei Hightech-Dichte und Patenten sieht Bloomberg Deutschland auf 
Rang 3. Die Deutschen sind hervorragend darin, brillante Ideen zu Papier zu 
bringen. Nur, und das bleibt in dem Ranking außen vor: Es hapert an der 
Kommerzialisierung, an Wagniskapital ebenso wie an Gründergeist. Laut 
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist die Zahl der Unternehmensgründungen 
seit Jahren rückläufig. CSU-Politiker fordern jetzt einen Innovationsfonds mit 
staatlich garantierter Verzinsung von zwei Prozent. So ehrenwert die Idee, so 
durchsichtig ihr Antrieb: Sie wollen die Deutschen nicht etwa zu einem Volk der 
Unternehmer machen, sondern die Sparweltmeister vor den Nullzinsen retten. Das 
ist nicht die Mentalität eines Innovations-Champions.

Bloomberg adelt die Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe. Doch der um sich 
greifende Protektionismus setzt der weltgewandten Industrie zu. Ein wesentlicher
Teil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung, weiterer Ausweis von 
Innovationskraft, ist in der Autobranche gebündelt, die mit Milliarden zu 
kaschieren versucht, dass sie die Mobilitätswende verschlafen hat. Ein 
Klumpenrisiko, auch in Sachen Innovation.

Nichts sagt die Studie darüber, wie es um die Wettbewerbsfähigkeit bestellt ist.
Kaum irgendwo zahlen Unternehmen so viel für Strom. Die Steuerlast wird durch 
die halbherzige Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags kaum geringer. Der 
Fachkräftemangel ist ein Standortrisiko. Und in Sachen öffentliche Infrastruktur
wie schnelles Internet in der Breite rangiert Deutschland unter ferner liefen. 
Sagt nicht Bloomberg, sondern: das Weltwirtschaftsforum in seinem jüngsten 
Global Competitiveness Report. Da ist Deutschland auf den siebten Platz der 
wettbewerbsfähigsten Länder zurückgefallen. Es ist alles eine Frage der 
Perspektive.

(Börsen-Zeitung, 21.01.2020)

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