Börsen-Zeitung: Warten auf März, Kommentar zur EZB von Julia Wacket
Frankfurt (ots) - So einig wie bei der Einschätzung der
Wachstumsaussichten der Eurozone, in welcher der EZB-Rat die Risiken
nicht mehr als "ausgeglichen", sondern als "abwärts gerichtet"
bezeichnete, ist man sich im EZB-Rat selten. Aber nachdem zusätzlich
zu schwelenden Handelskonflikten, Brexit-Chaos und nachlassendem
China-Wachstum auch noch der wichtigste Stimmungsindikator der
Eurozone auf ein Fünf-Jahres-Tief gefallen war, konnte wohl selbst
der hartgesottenste Falke im Rat nicht dagegen stimmen.
Doch so einig sich der Rat bei der Beurteilung der Risiken war, so
uneinig war er sich bei der Frage, wie lange und wie heftig sich die
Konjunkturschwäche fortsetzen werde. Insofern hielt sich EZB-Chef
Mario Draghi zurück - man warte auf die Projektionen im März, um ein
klares Bild zu zeichnen. Selbst der allmächtige Draghi hat nun mal
keine Glaskugel, um in die Zukunft zu schauen.
Eins ist seit Donnerstag aber auch ohne Kugel glasklar: Ein
Zinsschritt in diesem Jahr ist nochmals weniger wahrscheinlich
geworden. Mit der wohlwollenden Kommentierung der Zinserwartungen an
den Märkten hat Draghi den ersten Zinsschritt quasi auf 2020
verschoben.
Was das genaue Timing künftiger Zinsschritte angeht, wird
ebenfalls der März entscheidend sein. Denn dann zeigt sich, ob die
EZB die Risiken als dauerhaft einschätzt und ihre Prognosen senkt.
Schon jetzt rechnet kaum einer mehr mit einem Wachstum 2019 von 1,7
Prozent. Draghi versuchte zwar, die Rezessionsängste zu zerstreuen,
erwähnte allerdings, dass der EZB im Falle eines Falles weiterhin ein
ganzer Werkzeugkasten an geldpolitischen Instrumenten zu Verfügung
stehe.
Der ohnehin sehr langfristig angelegte Exit-Fahrplan droht sich
damit noch weiter zu verzögern. Dagegen, dass die EZB auf dem Weg hin
zur zinspolitischen Normalisierung nichts überstürzen und nun erst
einmal bis März weitere Daten abwarten möchte, ist generell nichts
einzuwenden. Bei ihrem Ausstieg aus der ultralockeren Zinspolitik
sollte sich die EZB aber von all der politischen Unsicherheit nicht
zu sehr beirren lassen - insbesondere da es auch viele gute
Nachrichten aus der Eurozone gibt, wie die Lage am Arbeitsmarkt.
Die positive Nachrichte lautet: Obwohl Draghi womöglich keine
Zinsanhebung in seiner Amtszeit mehr mitbekommen wird - mit
Abwärtsrisiken und wie man sie übersteht, kennt er sich immerhin aus.
Bis auf den Zeitraum April 2017 bis Dezember 2018 war der
Wachstumsausblick während der Amtszeit des Italieners immer nach
unten gerichtet.
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