Börsen-Zeitung: Im Schatten Saudi Aramcos, Marktkommentar von Dietegen
Müller
   Frankfurt (ots) - Kurzzeitig über 70 Dollar mussten in dieser 
Woche für ein Fass Rohöl der Sorte Brent Crude bezahlt werden - so 
viel wie seit Dezember 2014 nicht mehr. Es ist eine der 
Überraschungen im noch jungen Jahr, dass die Mitte 2017 eingesetzte 
Aufwärtsbewegung des Ölpreises bisher unvermindert weitergeht. 
Natürlich liegt dies auch an dem zu Schwäche neigenden Dollar und 
Umrechnungseffekten, aber nicht nur. Der Ölminister von Iran hat 
bereits erklärt, die Organisation Öl exportierender Staaten (Opec) 
sei nicht an einem Ölpreis von über 60 Dollar interessiert, da sonst 
die US-Schieferöl-Wettbewerber einen großen Anreiz hätten, ihre 
Produktion auszuweiten und Marktanteile gewinnen könnten. Iran selbst
will die Produktion mit ausländischen Investitionen deutlich 
steigern, doch hängt über dem Land stets das Damoklesschwert von 
Sanktionen. Wenn Iran weiter ungestört Öl fördern kann, dürfte dies 
in der Tendenz einen leicht preisdämpfenden Effekt haben.

   Keine Preisdeckelung

   Das noch vor wenigen Monaten plausibel anmutende Szenario einer 
Deckelung des Ölpreises bei rund 55 bis 60 Dollar je Barrel hat sich 
nicht eingestellt. Einige Analysten hatten erwartet, dass anziehende 
Ölpreise zu einer steigenden Produktion der flexiblen 
US-Schieferölproduzenten führen würden und damit die von der Opec 
beschlossene, bislang erstaunlich diszipliniert umgesetzte 
Förderbegrenzung aushebeln - und damit den Ölpreis wieder drücken.

   Ende November hatte sich die Opec unter Einbezug von Russland 
darauf verständigt, die Förderkürzungen um 1,8 Mill. Barrel pro Tag 
(bpd) um neun Monate bis Ende 2018 zu verlängern. Saudi-Arabien hatte
sich damit gegen Russland durchgesetzt, das eine Verlängerung von nur
sechs Monaten wollte. Damit ging das Kartell das Risiko ein, 
angesichts einer steigenden Nachfrage über das Ziel der 
Wiederherstellung des Marktgleichgewichts hinauszuschießen.

   Denn die Kapazitäten der US-Ölproduzenten reichen wohl nicht aus, 
um den Preisanstieg zu deckeln. Die Nachfrage nach dem schwarzen Gold
scheint im synchron ablaufenden globalen Wirtschaftsaufschwung 
stärker anzuziehen als gedacht. Unter anderem wird auf China 
verwiesen: 2017 hat die Volksrepublik durchschnittlich 8,41 Mill. 
Barrel pro Tag importiert oder 10% mehr als 2016 - ein Rekordwert, 
der das Land zum größten Rohölimporteur vor den USA macht. Chen Zhao,
Gründer des Researchhauses Alpine Macro, wies im November im Gespräch
mit dieser Zeitung auch auf die möglicherweise stark steigende 
Ölnachfrage aus Indien hin.

   Auch wenn die Gefahr des Überschießens besteht: Saudi-Arabien 
kommt die Rally am Ölmarkt kaum ungelegen. Das Land will einen der 
größten, wenn nicht den größten Börsengang je durchziehen. Bis zu 5%

am staatlichen Öl- und Gasgiganten Saudi Aramco sollen dieses Jahr an
die Börse gebracht werden. Laut Reuters ist abgesehen von der 
Erstnotiz an der Börse in Riad auch Hongkong, London und New York als
möglicher Platz für eine Zweitnotierung im Gespräch.

   Die Bewertung von Saudi Aramco hängt stark vom Wert der 
konzerneigenen, nicht ausgeschöpften Ölreserven ab. Der saudische 
Kronprinz Muhammad bin Salman hatte den Wert der Gruppe einmal auf 2 
Bill. Dollar geschätzt. 5% Anteil wäre damit 100 Mrd. Dollar wert - 
was in den Augen von Analysten als viel zu hoch angesetzt gilt. Ein 
steigender Ölpreis macht es deshalb für den Golfstaat einfacher, 
einen hohen Emissionserlös durchzusetzen, da der Wert der 
Aramco-Reserven höher angesetzt werden kann. Ein höherer Ölpreis 
liege somit im Interesse Saudi-Arabiens. Dies spreche gegen eine 
"vorschnelle Kehrtwende in der Opec-Förderpolitik", meint etwa die 
Commerzbank.

   Der Wert von Saudi Aramco ist aber auch abhängig von den 
weltweiten Fortschritten in der Reduktion der Treibhausgasemissionen,
meint die Umweltgruppe Oil Change International. Sie schätzt, dass 
112 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) ausgestoßen würden, wenn 
alle Ölreserven des Konzerns verbrannt würden. Dies sei rund ein 
Siebtel aller weltweiter Emissionen, die in einem CO2-Budget mit dem 
Zwei-Grad-Klimaziel vorgesehen seien. Eine Einhaltung dieses Ziels 
würde den Wert von Aramco mindern.

   Vorerst blickt der Markt vor allem auf die Nachfrageseite. Was für
Rohöl gelte, sei für den Rohstoffsektor insgesamt ein Thema, meint 
Jan Edelmann, Rohstoffanalyst bei der HSH Nordbank. Die anhaltende 
Backwardation und damit positive Rolleffekte "gepaart mit dem 
stärksten globalen Nachfrageschub seit Beginn der Finanzkrise sowie 
das synchrone globale Wachstum" sprächen für Rohstoffe. In der 
Backwardation sind die Notierungen am Terminmarkt niedriger als am 
Kassamarkt - ein Zeichen starker Nachfrage.

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