Börsen-Zeitung: Die Vertrauensfrage / Kommentar zum
Bayer-Monsanto-Komplex von Annette Becker
   Frankfurt (ots) - Endlich einmal positive Nachrichten aus dem 
Hause Bayer: Der Start in das neue Geschäftsjahr ist geglückt. Die im
ersten Quartal erwirtschafteten Umsatz- und Ergebniszahlen - 
zumindest wenn der Blick auf den operativen Gewinn eingeengt wird - 
lagen über den Analystenschätzungen. Entsprechend freundlich fiel die
Börsenreaktion aus: Mit einem Kurssprung um 4,5% in der Spitze führte
die Aktie am Donnerstag die Gewinnerliste im Dax an.

   Ob die günstige operative Performance eines Quartals ausreicht, um
die verunsicherten und verärgerten Investoren nachhaltig zu 
besänftigen, steht jedoch auf einem anderen Blatt - eine Schwalbe 
macht ja bekanntlich auch noch keinen Sommer. Angesichts einer 
Marktkapitalisierung von 57 Mrd. Euro kann beileibe keine Entwarnung 
gegeben werden.  Denn noch immer  bringt Bayer inklusive Monsanto 
damit  kaum mehr auf die Börsenwaage, als für den 
US-Saatguthersteller im vorigen Jahr bezahlt wurde.

   Wie es um das Vertrauen der Investoren tatsächlich bestellt ist, 
wird sich in der heutigen Hauptversammlung  zeigen. Auf dem Spiel 
steht nicht weniger als die Nichtentlastung des Vorstands. Die 
einflussreichen Stimmrechtsberater, die gerade bei kleineren 
institutionellen Investoren das Abstimmungsverhalten vorgeben, haben 
sich  gegen die Entlastung des Vorstands ausgesprochen. Zudem haben  
große Einzelaktionäre zu verstehen gegeben, an diesem Punkt nicht mit
der Verwaltung zu stimmen.

   Als Vorwurf steht im Raum,  dass der Vorstand bei der Übernahme 
von Monsanto die damit einhergehenden Rechts- und Reputationsrisiken 
unterschätzt hat. Dem stellt Bayer zwar zwei Gutachten entgegen, die 
bescheinigen, dass der Vorstand im Rahmen seines qua Aktiengesetz 
gegebenen Ermessensspielraums gehandelt hat. Die Realität in Form der
beiden erstinstanzlichen Urteile im Zusammenhang mit dem 
glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup spricht jedoch eine 
andere Sprache. Ganz abgesehen davon, dass die Zahl der anhängigen 
Glyphosat-Klagen inzwischen auf 13 400 angeschwollen ist.

   Die Nichtentlastung hätte zwar keine direkten Folgen für die 
Führungsriege von Bayer. Eine derartiges Aktionärsvotum - das 
zugleich ziemlich einzigartig in der Dax-Geschichte sein dürfte - 
hätte jedoch enorme  Signalwirkung. Als das Co-Vorstandsteam der 
Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, in der 
Hauptversammlung 2015 nur mit 61% entlastet worden war, dauerte es 
keine drei Wochen bis zum Rücktritt.

   (Börsen-Zeitung, 26.04.2019)

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