Berlin (Reuters) - Die Nichtregierungsorganisation Finanzwende hat Bundesfinanzminister Christian Lindner aufgefordert, stärker gegen Steuerhinterziehung vorzugehen.

Hintergrund sind sogenannte CumCum-Aktiengeschäfte, durch die dem Staat Experten zufolge bis 2021 ein Schaden von 28,5 Milliarden Euro entstanden sind. FDP-Chef Lindner müsse dafür sorgen, dass die Finanzverwaltung die Gelder systematisch von Banken zurückhole und dazu auch Transparenz schaffen, sagte Finanzwende-Geschäftsführer Gerhard Schick am Dienstag zu Journalisten. Die Bürger wollten eine effektivere Bekämpfung von Finanzkriminalität. Es brauche den politischen Willen, um Fortschritte zu erzielen. Bisher sei trotz angespannter Haushaltslage nur ein Bruchteil der Gelder zurückgeholt.

Der Verein Finanzwende, der Änderungen in der Branche durchsetzen will, hat zuletzt für Aufsehen gesorgt, als die ehemalige Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker dort einstieg. Sie hat sich in zahlreichen Verfahren gegen Banker wegen CumEx-Aktiengeschäften einen Namen gemacht. Sie sagte, in Deutschland werde Finanzkriminalität zu oft verharmlost als Kavaliersdelikt. "Die Macht der Finanzlobby ist überproportional groß und der Staat ist an der Stelle zu schwach aufgestellt." Als Ermittlerin habe sie nur Einzelfälle bearbeiten können, sich aber nicht zum System äußern dürfen, das in Schräglage sei. Der Einfluss der Bankenbranche müsse zurückgedrängt werden. Er sei riesengroß - auf die Verwaltung, die Gesetzgebung und die Justiz.

Bei den CumEx-Geschäften ließen sich Anleger eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit - lateinisch cum - und ohne - also ex - Dividendenanspruch. Die CumEx-Fälle sind zumindest teilweise vor Gericht aufgearbeitet. "Der Schaden bei CumCum-Geschäften ist unfassbar hoch", sagte Brorhilker, drei Mal so groß wie bei CumEx-Deals. Auch seien hier nicht nur große Investmentbanken verstrickt, sondern viel flächendeckender auch regionale Banken.

Brorhilker kritisierte die Pläne von Lindner für eine neue Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität. Diese Behörde müsste nicht nur für Geldwäsche, sondern auch Steuerhinterziehung zuständig sein. "Seit 2015 ist unzweifelhaft klar, dass die Geschäfte steuerrechtlich nicht in Ordnung sind", so Brorhilker mit Blick auf CumCum-Deals. Das Nicht-Handeln der Behörden schade dem Vertrauen in den Rechtsstaat.

Das Finanzministerium teilte auf Anfrage mit, bedauerlicherweise hingen die Pläne für eine neue Behörde noch im Bundestag fest. Geplant sei eine gezielte Neuordnung der Strukturen, Methoden und Instrumente bei der Bekämpfung von Geldwäsche. Denn internationale Geldwäsche werde trotz steigender Volumen von den zuständigen Behörden nur im "marginalen Umfang verfolgt". Die Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung habe weiter hohe Priorität. Hier seien aber überwiegend die Länder zuständig, was auch so bleiben solle.

(Bericht von Christian Krämer, Mitarbeit von Tom Sims, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)