London (Reuters) - Knapp zwei Wochen nach dem klaren Labour-Sieg bei den Parlamentswahlen in Großbritannien hat König Charles das Programm der neuen Regierung unter Premierminister Keir Starmer vorgestellt.

Bei der traditionellen Zeremonie zur Parlamentseröffnung legte Charles am Mittwoch in einer von der Regierung geschriebenen Rede die Ziele dar, die Starmer vorrangig angehen will. Das Paket aus mehr als 35 Gesetzesvorschlägen ist vor allem darauf ausgerichtet, die Wirtschaft, den Wohnungsbau und Infrastrukturprojekte in Schwung zu bringen. So sollen das Verkehrswesen verbessert und Jobs geschaffen werden. Auch die hohen Lebenshaltungskosten stehen auf der Agenda von Starmers Team weit oben.

Nach der Wahl am 4. Juli kann sich die Regierung unter dem 61-jährigen Starmer auf eine ungewöhnlich große Mehrheit im Parlament stützen. Von vielen Beobachtern waren die vorangegangenen 14 Jahre Regierung der Konservativen als mitunter chaotisch empfunden worden. Vor diesem Hintergrund versuchte Labour, in der traditionellen Ansprache des Königs ("King's Speech") nun auch einen neuen Ton zu anzuschlagen.

Begleitet von viel Prunk und Pomp rund um die Zeremonie verlas Charles, selbst mit Krone auf dem Kopf, das Versprechen des neuen Kabinetts, im Dienste des Landes regieren zu wollen. "Das Gesetzesprogramm meiner Regierung wird aufgabenorientiert sein und auf den Grundsätzen von Sicherheit, Fairness und Chancen für alle beruhen."

Zuletzt war in weiten Teilen der Bevölkerung die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage und dem teils desolaten Zustand des öffentlichen Dienstes gewachsen. Starmer hatte dies im Wahlkampf aufgegriffen und versprach auch im Vorfeld der Parlamentseröffnung noch einmal einen Boost für die Wirtschaft. Große Spielräume hat der britische Sozialdemokrat jedoch nicht. Die Steuerlast ist so hoch wie nie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, die Nettoverschuldung entspricht fast der jährlichen Wirtschaftsleistung, der allgemeine Lebensstandard ist gesunken und es gibt zu wenig Wohnraum.

"WIEDERAUFBAU UNSERES LANDES GEHT NICHT ÜBER NACHT"

Starmer mahnte die Briten zu Geduld. "Der Wiederaufbau unseres Landes wird nicht über Nacht geschehen", erklärte er zu den Schwerpunktzielen seines Regierungsprogramms. "Für die Herausforderungen, vor denen wir stehen, braucht es entschlossene, geduldige Arbeit und ernste Entscheidungen."

So will Labour die Planungsprozesse bei Immobilienprojekten beschleunigen und Widerspruchsmöglichkeiten bei Bauvorhaben beschränken. Zudem soll die in den 1990er Jahren von der damaligen konservativen Regierung vorangetriebene Privatisierung des Schienennetzes schrittweise zurückgenommen werden. Nach viel Streit rund um den Brexit soll die Beziehung zur EU verbessert werden und eine neue Sicherheitskooperation angestrebt werden.

Die neue britische Regierung will auch die Rolle der unabhängigen Haushaltsbehörde stärken und so die Attraktivität des Standorts Großbritannien für Investoren erhöhen. Im Rahmen des Regierungsvorhabens sollen Etatposten, die "signifikante und dauerhafte Änderungen bei Steuern und Staatsausgaben" mit sich bringen, von der Haushaltsbehörde (Office of Budget Responsibility) OBR unter die Lupe genommen werden.

TRUSS HATTE MIT "MINI-BUDGET" TURBULENZEN AUSGELÖST

Die ehemalige konservative Premierministerin Liz Truss und ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng lösten 2022 Turbulenzen am Anleihemarkt aus, als sie in einem sogenannten "Mini-Budget" nicht ausreichend gegenfinanzierte Steuersenkungen ankündigten, die sie nicht dem OBR zur Prüfung vorlegten. Der Plan Starmers, dem OBR eine genaue Prüfung der Haushalte zuzuweisen, war zuvor im Wahlkampfprogramms seiner Labour-Partei angekündigt worden.

Die Regierung bestätigte nun zudem ihren Plan, einen Nationalen Vermögensfonds zu gründen, um Investitionen in wichtige Industriezweige wie erneuerbare Energien zu lenken. Der Staatsfonds setzt auf der bestehenden britischen UK Infrastructure Bank auf. Er soll 7,3 Milliarden Pfund (8,72 Milliarden Euro) an Kapital erhalten, um 20 Milliarden Pfund an privaten Investitionen anzulocken.

(Bericht von Andrew MacAskill, Elizabeth Piper und Alistair Smout; William Schomberg, geschrieben von Elke Ahlswede Mitarbeit Reinhard Becker; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)