Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Die deutschen Kommunen haben angesichts erheblicher Kostenbelastungen ein grundlegendes Umdenken bei der Nutzung der knappen finanziellen Ressourcen gefordert. "Die aktuelle Situation stellt uns alle vor nie dagewesene Herausforderungen", sagte der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Uwe Brandl, bei der Jahrespressekonferenz des Verbandes. Es gehe um Krieg, Lieferkettenprobleme, Corona, Energiekostensteigerungen und eine demografische Entwicklung, die dem Wirtschaftsstandort Deutschland zu schaffen mache.

"Wegen der gestiegenen Energiepreise werden die Kommunen mit erheblichen Kostenbelastungen zu rechnen haben", sagte er. "Schätzungen gehen im Jahr 2023 von einer Verdoppelung der Kosten auf 10 Milliarden Euro aus." Hinzu kämen zusätzliche Belastungen wie durch Tariferhöhungen, es gebe bis zu 15 Milliarden Euro an Mehrbelastungen. Mit Blick auf einen bereits vorhandenen Investitionsstau von 160 Milliarden Euro im Bereich Straßen und Infrastruktur seien die Kommunen damit zu einer Konzentration auf das Notwendige gezwungen. "Erforderlich ist ein grundlegendes, an den finanziellen Möglichkeiten orientiertes Umdenken", sagte Brandl.

"Wir müssen weg von der Ankündigungs- und Wunscherfüllungspolitik, hin zu einer schwerpunktbezogenen, dem Subsidiaritätsprinzip verpflichteten Realpolitik." Die derzeit überbordenden Standards müssten auf das absolut Notwendige beschränkt werden. Auch müsse die Politik den Bürgern vermitteln, dass eine demokratische Gesellschaft auf die solidarische Mitwirkung jedes Einzelnen angewiesen sei. "Rechtsansprüche wie die verbindliche Ganztagsbetreuung ab 2026 erzeugen demgegenüber Anspruchshaltungen und in der Konsequenz wegen der faktischen Unerfüllbarkeit Politikverdrossenheit."

Jede gesetzgeberische Aktion müsse einer detallierten Notwendigkeit- und Folgewirkungsprüfung unterzogen werden, forderte Brandl zudem. So werde die Energiewende nur erfolgreich sein, wenn die Standards zum Bau der Anlagen reduziert würden. Notwendig seien auch bessere Rahmenbedingungen, etwa was Durchleitungsentgelte angehe. Die Debatte um eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken nannte Brandl "nicht verständlich". Er beklagte auch im Wohnungsbau "überbordende Standards", die neben den allgemeinen Preiseffekten das Bauen verteuerten, und forderte ein umfangreiches Maßnahmenbündel aus höheren Abschreibungen, einfachere Baulandmobilisierung, Anpassung von Emissionsschutzvorschriften und dem Verzicht auf einen Ausgleich zum Naturschutz.

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January 04, 2023 06:33 ET (11:33 GMT)