Die Annäherung der beiden Märkte resultiert aus der starken Performance des britischen Marktes in jüngster Zeit und dem Rückgang der Luxusgüterwerte in Frankreich seit dem Höhepunkt im April. London, das viele Rohstoffunternehmen beherbergt, profitierte vom jüngsten Ölpreisanstieg und der energiepolitischen Kehrtwende der Regierung. Auf makroökonomischer Ebene hat die Inflationsdämpfung in Großbritannien die Sicht auf die Geldpolitik ein wenig aufgehellt. Gleichzeitig schwächte sich das Pfund Sterling ab, was die Attraktivität der britischen Exportunternehmen erhöht, die einen großen Teil ihrer Geschäfte in Dollar abwickeln. In Paris hat der Luxussektor unter der ausbleibenden Erholung der chinesischen Wirtschaft gelitten, die für seine Verkäufe entscheidend ist. Die Rückgänge von Starwerten wie LVMH oder Hermès belasteten die Notierung schwer.

Bloomberg weist darauf hin, dass der Schneeballeffekt London weiterhin zugutekommen könnte: Viele Fondsmanager sind immer noch deutlich untergewichtet in britischen Aktien, eine Folge der politischen Tragikomödie, die seit der Johnson-Ära in Großbritannien herrscht. Eine Rückkehr zu günstigeren Indikatoren könnte einen Aufholeffekt auslösen.

So weit weg - so nah

Trotz der von Bloomberg hervorgehobenen Tendenz scheint die Nähe der Marktkapitalisierung zwischen den beiden Börsenplätzen diskutabel. Die Agentur gibt nicht genau an, welcher Index verwendet wurde. Aber eine Vergleichsanalyse von MarketScreener zwischen den breitesten Indizes der beiden Märkte ergibt folgendes Bild:

  • Der FTSE All-Share umfasst 575 an der Londoner Börse gelistete Unternehmen und deckt 98% der britischen Börsenkapitalisierung ab. Laut FTSE selbst betrug die Marktkapitalisierung des FTSE All-Share zum 31. August 2267 Mrd. Pfund Sterling, umgerechnet etwa 2765 Mrd. Dollar. Obwohl die Daten für den 30. September nicht verfügbar sind, lässt sich durch eine einfache Dreisatzrechnung ableiten, dass die Marktkapitalisierung des FTSE All-Share zum 30. September etwa 2310 Mrd. Pfund oder 2818 Mrd. Dollar betrug.
  • Der CAC All-Share  umfasst alle 380 an der Euronext Paris gelisteten Unternehmen. Laut einer von Euronext am 30. Juni aktualisierten Übersicht betrug die kumulierte Marktkapitalisierung 3105 Mrd. Euro, umgerechnet etwa 3282 Mrd. Dollar. Wendet man die gleiche Dreisatzrechnung an und verwendet den Stand des CAC All-Share Index vom 30. September, ergibt sich eine Marktkapitalisierung von 2946 Mrd. Euro oder etwa 3114 Mrd. Dollar.

Auf den ersten Blick ist die Marktkapitalisierung von Paris immer noch etwa 300 Milliarden Dollar höher ist als die von London. Es gibt jedoch einen signifikanten Unterschied: Der FTSE All-Share-Index summiert die Free-Float-Marktkapitalisierungen, während der CAC All-Share-Index (im Gegensatz zum CAC40) die gesamte Marktkapitalisierung seiner Mitglieder berücksichtigt. Es ist daher wahrscheinlich, dass die beiden Märkte viel näher beieinander liegen, als die beiden Indizes nahelegen, da einige große französische Unternehmen nur eine begrenzte Free-Float-Marktkapitalisierung haben.  LVMH zeigt beispielsweise eine aktuelle Marktkapitalisierung von 362 Mrd. Euro, aber der Streubesitz (Free-Float) beträgt nur 181 Mrd. Euro.

Zum Vergleich: In Deutschland betrug die Gesamtmarktkapitalisierung laut den Ende August von der Deutschen Börse veröffentlichten Daten 1952 Mrd. Euro, umgerechnet etwa 2063 Mrd. Dollar. Dieser Betrag wird auf Basis der Free-Float-Marktkapitalisierungen berechnet, ähnlich wie beim FTSE.

CAC FTSE

Die Leitindizes der beiden Märkte zeigen eine Performance-Differenz von etwa 5% im dritten Quartal, d.h. 5% von 2.900 Mrd. Dollar entsprechen etwa 145 Mrd. Dollar.