Berlin (Reuters) - Die hochschnellenden Corona-Fälle drücken spürbar auf die Stimmung der Unternehmen in Deutschland.

"Mit dem Anstieg der Infektionszahlen wächst die Nervosität der deutschen Wirtschaft", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe am Montag der Nachrichtenagentur Reuters zur monatlichen Umfrage des Münchner Instituts unter rund 9000 Managern. Der Ifo-Geschäftsklimaindex fiel im Oktober um 0,5 auf 92,7 Punkte und damit das erste Mal nach zuvor fünf Anstiegen in Folge. "Die Unternehmen blicken deutlich skeptischer auf die Entwicklung in den kommenden Monaten", erklärte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Die Konjunktur wird leiden - eine Rezession rückt näher", warnte auch DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle.

Die Manager beurteilten ihre Lage zwar etwas günstiger als zuletzt, blickten aber wieder pessimistischer nach vorn. Ein drohender Lockdown würde dem Ifo-Institut zufolge die Konjunktur abwürgen. Zwar zeichne sich bislang noch ein spürbares Wachstum für das laufende vierte Quartal von 2,1 Prozent ab, sagte Ifo-Experte Wohlrabe. "Ein zweiter harter Lockdown ist darin aber nicht eingepreist", fügte der Ökonom hinzu. "Knackpunkt wäre, wenn Schulen und Kitas geschlossen werden müssten." Viele Eltern könnten dann nicht arbeiten gehen. "Das würde sich massiv auf die Wirtschaft auswirken, auch auf die Industrie."

"DAS SIND KEINE SCHÖNEN AUSSICHTEN FÜR DAS WINTERHALBJAHR"

DekaBank-Experte Scheuerle warnte sogar: "Es bedarf keines Lockdowns in Deutschland, um die Konjunktur auszubremsen." Schon die stark steigenden Infektionszahlen reichten aus. Denn Menschen in Quarantäne fehlten den Unternehmen, Haushalte und Firmen würden zunehmend verunsichert. Hinzu kämen mehr Einschränkungen des wirtschaftlichen Lebens im Rest Europa. "Das sind keine schöne Aussichten für das Winterhalbjahr."

Die deutsche Wirtschaft war im Frühjahr wegen der Corona-Krise in Rekordtempo um 9,7 Prozent eingebrochen. Ökonomen und Bundesregierung erwarten für das zu Ende gegangene Sommer-Quartal ein kräftiges Wachstum. Für NordLB-Chefvolkswirt Christian Lips wäre ein Rekordanstieg beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund sieben Prozent aber nur ein erster Schritt der konjunkturellen Erholung. "Der restliche Weg droht steiniger und schwerer zu werden als manch ein Optimist gehofft hatte." Je nach Ausmaß einer zweiten Welle ergeben sich demnach Abwärtsrisiken für die Wachstumsaussichten 2021. In der für Mittwoch geplanten Herbstprognose der Bundesregierung erwartet Wirtschaftsminister Peter Altmaier für 2020 ein BIP-Schrumpfen von 5,5 Prozent und damit einen etwas geringeren Einbrauch als die bisher prognostizierten minus 5,8 Prozent, wie Reuters von einer mit der Abstimmung in der Regierung vertrauten Person erfuhr. Für 2021 setze Altmaier unverändert auf 4,4 Prozent Wachstum.

Die deutsche Wirtschaft könnte - gemessen am vierteljährlichen BIP - bereits etwas mehr als die Hälfte des drastischen Einbruchs im ersten Halbjahr wieder wettgemacht haben, erklärte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht. "Für die Rückkehr zum Vorkrisenniveau vom vierten Vierteljahr 2019 dürften trotzdem noch etwa fünf Prozent fehlen." So habe sich die Konjunktur nach der Talsohle im April bereits im Mai und Juni in vielen Bereichen wieder gefangen, sei danach aber wohl auf einen "verhalteneren Erholungspfad" eingeschwenkt.

RÜCKSCHLAG FÜR DIE INDUSTRIEIm Verarbeitenden Gewerbe kletterte der Ifo-Index erstmals seit Juni 2019 wieder in den positiven Bereich. Ifo-Präsident Fuest betonte dennoch: "Der zuletzt aufgekommene Optimismus mit Blick auf die kommenden Monate hat aber einen merklichen Rückschlag erhalten." Bei den Dienstleistern - wozu auch das von der Corona-Krise stark betroffene Gastgewerbe gehört - verschlechterte sich das Geschäftsklima merklich. "Der Optimismus der Vormonate zur weiteren Geschäftsentwicklung ist wieder verschwunden", erklärte Fuest. Regionale Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und Sperrstunden wegen der Virus-Pandemie treffen Gastronomen hart. Restaurants und Cafés, Caterer und Bars mussten zwischen März bis August Umsatzverluste zum Vorjahr von real (preisbereinigt) 40,5 Prozent wegstecken. Besonders stark betroffen waren laut Statistikamt alle Lokale, die ihr Geld mit dem Ausschank von Getränken verdienen.

Im Handel trübte sich die Stimmung ebenfalls ein und im Bauhauptgewerbe kam der Aufwärtstrend laut Ifo zu einem jähen Ende. "Die Unternehmen korrigierten ihre sehr guten Einschätzungen zur aktuellen Lage deutlich nach unten."