Von Justin Baer

NEW YORK (Dow Jones)--Der Einmarsch Russlands in die Ukraine bringt US-Investmentfirmen in Nöte. Sie sind nunmehr gezwungen, russische Wertpapiere abzustoßen, während der Aktienmarkt des Landes geschlossen ist und Ausländern der Verkauf von Aktien dort untersagt ist. Als Reaktion auf die Sanktionen und andere Maßnahmen, die die USA und andere Länder zur Bestrafung Russlands ergriffen haben, setzt die Moskauer Börse den Aktienhandel aus. Zum Wochenauftakt verbot Russland Maklern zudem den Verkauf von Wertpapieren, die ausländischen Investoren gehören.

Einige US-Vermögensverwalter, die russische Wertpapiere in Fonds halten, die sich auf Schwellenländer konzentrieren, befürchten, dass ihre Anleger aus Sorge um ihr Russland-Engagement Geld abziehen werden. Wenn sie nicht in der Lage sind, russische Aktien zu verkaufen, um die Nachfrage zu befriedigen, könnten die Fonds gezwungen sein, ihre Barmittel aufzubrauchen oder andere Vermögenswerte auf den Markt zu werfen. Dies könnte für die Manager von Schwellenländern einen doppelten Schlag bedeuten: eine Verringerung des Anteils ihrer Fonds an liquiden Mitteln bei gleichzeitiger Erhöhung der Gewichtung ihrer russischen Bestände. Einige Firmen denken darüber nach, die Börsenaufsicht SEC um eine Befreiung von der Obergrenze für den Anteil an illiquiden Wertpapieren, die Fonds halten dürfen, und von den Regeln für Rücknahmen zu bitten, so Insider. Derzeit beträgt die Obergrenze 15 Prozent. Ein SEC-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.


 
Anleger ziehen Gelder aus Russland ab 
 

Blackrock ist einer von mehreren Vermögensverwaltern, der informelle Gespräche mit SEC-Beamten über die Herausforderungen geführt haben, mit denen sie konfrontiert sind, und über Möglichkeiten, wie der Druck gemildert werden könnte. Blackrock berät sich aktiv mit Aufsichtsbehörden, Indexanbietern und anderen Marktteilnehmern. Der Konzern will sicherstellen, dass "unsere Kunden ihre Positionen in russischen Wertpapieren aufgeben können, wann immer und wo immer die regulatorischen und Marktbedingungen es zulassen", so ein Sprecher des Fondsmanagers. Er fügte hinzu, dass die Firma "alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Einhaltung der geltenden Sanktionsgesetze und -vorschriften in Bezug auf Investitionen in Russland zu gewährleisten". Nach Schätzungen von Morningstar Direct besaßen US-Investmentfonds und börsengehandelte Fonds Ende Januar mehr als 71 Milliarden US-Dollar in russischen Aktien und Anleihen.

Die Kunden einiger Investmentfonds, die russische Aktien und Anleihen halten, zogen im vergangenen Monat mehr Geld ab als sie hineinpumpten. Nettoabflüsse aus dem Developing Markets Fund von Invesco, dessen russische Aktien zum Jahresende 7,9 Prozent des Vermögens ausmachten, beliefen sich nach einer vorläufigen Schätzung von Morningstar Direct im Februar auf rund 348 Millionen Dollar. Der Fonds Institutional Emerging Markets von Harding Loevner, der Anfang Februar zu mehr als 8 Prozent in Russland investiert war, verzeichnete laut Morningstar Direct Abflüsse in Höhe von 221,6 Millionen Dollar. Investmentfonds und börsengehandelte Fonds, die von Privatanlegern erworben werden können, unterliegen zusätzlichen Vorschriften und Offenlegungspflichten. Diese gelten für private Investmentpools wie Hedgefonds, die an Institutionen und wohlhabende Familien verkauft werden, in dieser Form nicht.


 
Fondsmanager stemmen sich gegen ETF-Ausverkauf 
 

Laut Gesetz haben Anleger von Investmentfonds das Recht, den Schlusskurs ihrer Fonds an dem Tag zu erhalten, an dem sie ihre Anteile verkaufen wollen. Indexfonds (ETF) werden wie Einzelaktien gehandelt und können jederzeit zu ihrem aktuellen Marktpreis verkauft werden. Viele Fondsmanager weisen in den Angebotsunterlagen ihrer Fonds darauf hin, dass sie unter bestimmten Bedingungen die Rücknahme von Anteilen beschränken oder aussetzen können. In der Praxis machen die Fonds jedoch nur selten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Im März 2020 erlaubte die SEC Investmentfonds, sich Geld von ihren Muttergesellschaften zu leihen, um einem Ansturm von Rücknahmeanträgen nachzukommen, als der Markt in den ersten Tagen der Covid-19-Pandemie in eine gewisse Panik fiel. Im Jahr 2015 war der Third Avenue Focused Credit Fund von Third Avenue der erste Investmentfonds, der Rücknahmen aussetzte, ohne dafür eine Genehmigung der SEC einzuholen. Der Fonds tat dies, um seine Bestände in einer schwierigen Phase für Junk-Bonds aufzulösen.

Die SEC hat 2016 neue Vorschriften erlassen, die die Fonds verpflichten, Liquiditätsrisiken zu prüfen und einen Mindestbestand an liquiden Wertpapieren zu halten. Blackrock, Van Eck Associates und Franklin Resources gehören zu den Unternehmen, die in letzter Zeit Schritte unternommen haben, um dem steilen Ausverkauf bei ETF entgegenzuwirken, die sich auf russische Aktien konzentrieren. Zu diesem Zweck optimierten sie die Art und Weise, wie sie neue Anteile schaffen oder setzten die Schaffung dieser Anteile komplett aus. Direxion Funds kündigte an, seinen gehebelten Russland-ETF noch in diesem Monat aufzulösen. Führungskräfte der Branche sagten, sie gingen davon aus, dass sich ihre Probleme noch verschärfen, da Indexkonzerne wie MSCI Russland aus ihren Benchmarks streichen dürften.


 
Marktteilnehmer wollen Russen den Stuhl vor die Tür setzen 
 

MSCI will in der Tat nunmehr russische Aktien aus seinen weithin beachteten Schwellenländer-Indizes entfernen. Das Unternehmen berichtet über Rückmeldungen von Marktteilnehmern, die mit einer überwältigenden Mehrheit den russischen Aktienmarkt derzeit nicht für investierbar halten. Russische Wertpapiere sollten aus den MSCI Emerging Markets Indizes entfernt werden. Fonds, die die Wertentwicklung beliebter Benchmarks nachbilden wollen, werden es schwer haben, Änderungen an ihren Russland-Gewichtungen nachzuvollziehen, wenn der Markt geschlossen bleibt. Infolgedessen könnte sich die Kursentwicklung dieser Fonds von derjenigen der Indizes entfernen, die sie nachbilden wollen. "Wenn sie immer noch Aktien besitzen, die nicht im Index enthalten sind, würde das zu einem Tracking Error führen", konstatiert Todd Rosenbluth von CFRA nüchtern. "Je länger sich dies hinzieht, desto größer ist das Risiko einer Underperformance."

(Mitarbeit: Paul Kiernan)

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

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March 03, 2022 10:07 ET (15:07 GMT)