Kürzlich veröffentlichte die OECD die Ergebnisse ihrer dritten internationalen Erhebung über das Niveau der finanziellen Allgemeinbildung von Erwachsenen. Die Studie wurde in 39 Ländern, darunter 20 OECD-Mitgliedsstaaten, durchgeführt. Sie findet alle drei Jahre statt und ist Teil des OECD-Projekts zum Finanzwissen/ zur finanziellen Allgemeinbildung (Financial Literacy).

Starten wir mit einer kurzen Erklärung des Begriffs "Literacy", der auf den ersten 50 Seiten der Studie nicht weniger als 109 Mal verwendet wird. Die OECD hat sich die Mühe gemacht, den Begriff selbst zu definieren, und zwar als "die Fähigkeit, Informationen im Alltag, zu Hause, am Arbeitsplatz und in der Gemeinschaft zu verstehen und zu nutzen, um persönliche Ziele zu erreichen und das eigene Wissen und die eigenen Fähigkeiten zu erweitern". Financial Literacy ist also nicht nur theoretisches Finanzwissen, sondern auch die Fähigkeit, dieses Wissen konkret in seinem Alltag anzuwenden

Fast 70.000 Erwachsene im Alter von 18 bis 79 Jahren aus 39 Ländern nahmen an der OECD-Studie teil, die ihr Finanzwissen, ihr Finanzverhalten und ihre Finanzmentalität bewertete. Jeder dieser drei Aspekte wurde separat bewertet und gewichtet, um eine Gesamtpunktzahl von 100 zu erzielen. Die OECD geht davon aus, dass der Mindestzielwert für Finanzwissen bei 70/100 liegt: Unterhalb dieses Wertes ist das Verständnis von Finanzkonzepten und/oder die Anwendung von Finanzkompetenz unzureichend.

Soweit zur Methodik, nun zu den Ergebnissen:

Quelle: OECD/INFE 2023 Survey of Adult Financial Literacy

Der Gesamtdurchschnitt der 39 Länder liegt bei 60 von 100 Punkten, also unter dem Zielwert von 70 Punkten. Der Wert verbessert sich leicht auf 63 Punkte, wenn man sich nur auf die 20 OECD-Länder konzentriert, die an der Studie teilgenommen haben. Insgesamt erreichten nur 34% der befragten Erwachsenen die Zielpunktzahl von 70. Die Ergebnisse der einzelnen Länder sind jedoch sehr unterschiedlich. Auf dem Siegertreppchen stehen Deutschland, Thailand und Hongkong, wo 75%, 65% bzw. 60% der Erwachsenen den Zielwert von 70 erreichen. Das Schlusslicht bildet der Jemen, wo nur 3% der Erwachsenen über ausreichendes finanzielles Allgemeinwissen verfügen, gefolgt von Paraguay (11%) und Kambodscha (12%).

Wenn man sich die drei Teile der Studie im Detail ansieht, stellt man fest, dass die Finanzmentalität ein Problem darstellt. Die Ergebnisse der letzten Studie aus dem Jahr 2020, bei der 26 Länder (darunter 12 OECD-Mitglieder) befragt wurden, liegen sogar noch unter dem Niveau der aktuellen Studie:

  • Das Finanzwissen wird im Durchschnitt mit 63/100 Punkten bewertet (2020: 62,8).
  • Die Bewertung des Finanzverhaltens liegt im Durchschnitt bei 61/100 (vs. 59,2 im Jahr 2020).
  • Während die Finanzmentalität mit 56/100 (vs. 59,2 im Jahr 2020) bewertet wird.

Wenig überraschend zeigt die Studie, dass Erwachsene mit einem höheren Bildungsniveau sowie Erwachsene mit einem höheren Einkommen besser abschneiden als andere. Überraschender und vor allem besorgniserregender ist jedoch, dass 63% der Menschen, die Finanzprodukte besitzen, über eine unzureichende Finanzkompetenz verfügen (d.h. sie erreichen nicht die Punktzahl 70).

Besitz von Finanzprodukten und Finanzwissen:

Quelle: OECD/INFE 2023 Survey of Adult Financial Literacy

Neu in diesem Jahr war, dass die OECD auch die digitale Finanzkompetenz der Befragten bewerten wollte, d. h. ihre Einstellung zu digitalen Finanzdienstleistungen, Online-Zahlungen, Kryptowährungen etc. Auf der Grundlage eines ähnlichen Ansatzes wie bei der traditionellen Financial Literacy kam die OECD zu dem wenig erfreulichen, aber dennoch wenig überraschenden Ergebnis, dass nur 29% der Personen über eine ausreichende digitale Finanzkompetenz verfügten. Der Durchschnitt der digitalen Finanzkompetenz liegt bei 53/100, wo ein Niveau von 70/100 als akzeptabler Schwellenwert gilt.

FINANZWISSEN

Im Detail wurde das allgemeine Finanzwissen anhand von sieben Fragen bewertet, die Themen wie Inflation, Zinsen oder die Grundsätze der finanziellen Vorsicht abdeckten. Die erste Erkenntnis: Während 84% der Befragten wissen, was Inflation ist, verstehen nur 63% deren Auswirkungen, wenn man ihnen eine konkrete Frage stellt. Ein Beweis dafür, dass Wissen nicht gleichbedeutend mit Verstehen ist! Es ist anzumerken, dass diese Ergebnisse im Vergleich zu 2020 ermutigend sind, da damals durchschnittlich 78% die Definition von Inflation kannten und etwas weniger als 60% deren Auswirkungen. Der stark inflationäre Kontext des letzten Jahres war wahrscheinlich nicht ganz unschuldig daran.

Noch überraschender ist, dass mehr als die Hälfte der Befragten nicht in der Lage war, einen einfachen Zins zu berechnen. Noch schlechter sieht es mit dem Zinseszins aus, den nur 26% vollständig beherrschten.

FINANZVERHALTEN

In Bezug auf das Finanzverhalten sollte die Studie das Vorhandensein von drei Arten von vorsichtigem Verhalten bewerten: Sparen und langfristige Planung, überlegte Anschaffungen und Überwachung der Liquidität. Es zeigt sich, dass recht gesunde Verhaltensweisen vorherrschen: In allen 39 Ländern sparen 68% der Erwachsenen aktiv und ebenso viele behalten ihre Finanzen genau im Auge. Sogar 70% tätigen überlegte Anschaffungen, d. h. sie prüfen vorab, ob sie sich diese auch leisten können. Im Gegensatz dazu setzt sich nur die Hälfte der Erwachsenen langfristige finanzielle Ziele und nur etwas mehr als ein Viertel vergleicht die Angebote von Finanzprodukten vor dem Abschluss, was bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit auf die am leichtesten verfügbaren Produkte zurückgreift.

FINANZMENTALITÄT

Im dritten Teil der Studie wurde die Finanzmentalität bewertet, d. h. die Art und Weise, wie sich die Menschen in Bezug auf Geldfragen positionieren. Zu diesem Zweck wurden sie beispielsweise um ihre Meinung zu den folgenden drei Aussagen gebeten: "Ich habe mehr Freude daran, Geld auszugeben, als es für die Zukunft zu sparen", "Ich lebe von Tag zu Tag, ohne mir Gedanken über morgen zu machen" und "Geld ist zum Ausgeben da". Im Durchschnitt sind es weniger als die Hälfte, die diesen Aussagen nicht zustimmen! Es gibt also noch deutlich Luft nach oben, wenn es darum geht, wie die Menschen ihre Beziehung zu Geld sehen.

FAZIT

Der Zweck dieser Studie besteht nicht darin, gute und schlechte Schüler zu identifizieren oder in der Gesellschaft mit guten Ergebnissen zu glänzen. Vielmehr geht es darum, globale Bildungspolitiken zu definieren und gemeinsame Verbesserungsbereiche zu identifizieren. Ziel ist es, so viele Menschen wie möglich zu einem Mindestniveau an Finanzwissen zu führen. Dies ermöglicht ihnen, ihr Geld selbstständig zu verwalten und kluge finanzielle Entscheidungen zu treffen, insbesondere in einem zunehmend angespannten und komplexen wirtschaftlichen Umfeld.

Die OECD schlägt vor, dass es nicht ausreicht, grundlegende Finanzkenntnisse zu verbreiten. Es ist auch wichtig, Verhaltensweisen und Einstellungen zu stärken, die die finanzielle Widerstandsfähigkeit und das Wohlbefinden am ehesten fördern. Dazu gehören die Entwicklung eines kritischen Denkens, der Vergleich vor dem Kauf, das Vertrauen in unabhängige Quellen und das Führen von Finanzübersichten.

Es überrascht nicht, dass die OECD die absolute Notwendigkeit betont, die Anstrengungen auf die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu konzentrieren. Dazu gehören die Ärmsten, die am wenigsten Gebildeten, Frauen und die Jüngsten. Die Idee besteht darin, den Teufelskreis zu durchbrechen, da diejenigen, die das geringste Finanzwissen haben, auch diejenigen sind, die es am meisten benötigen und die beispielsweise am ehesten Opfer von Betrug werden könnten.