Wien (awp/sda/apa) - Ex-Lufthansa-Finanzchef Nikolaj Schmolcke hat sich Bilanzen der zwei wichtigsten Firmen der strauchelnden Immobiliengruppe Signa näher angesehen. Diese seien verspätet publiziert worden und zeigten René Benkos hohe Risikobereitschaft auf.

Die insolvente Signa Holding und die Signa Prime Selection haben ihre Abschlüsse teils sehr spät veröffentlicht - bei der Prime dauerte es bis zu fünf Jahre nach dem Stichtag, bei der Holding bis zu vier. "Wer nicht veröffentlicht, hat ein Problem oder etwas zu verbergen oder beides", so Schmolcke.

Den Konzernabschluss für das Jahr 2021 habe die Prime Selection, in der die Top-Immobilien wie das KaDeWe in Berlin oder der Elbtower in Hamburg gebündelt sind, erst nach 22 Monaten, für das Jahr 2022 nach zehn Monaten veröffentlicht, berichtet der Hamburger Ökonom laut Münchner "Abendzeitung" (Wochenende).

Grunderwerbssteuer gespart

Aus den Abschlüssen der Signa liest Finanzexperte Schmolcke dem Zeitungsbericht zufolge vieles heraus: Zum Beispiel, dass sich die Signa über sogenannte "Shared Deals" die Grunderwerbssteuer sparte. Oder dass die Prime Selection allein im Jahr 2021 bei einem Umsatz von 438 Millionen Euro (415 Mio. Franken) einen Gewinn von 732 Millionen Euro (694 Mio. Franken) schaffte.

Auffällig seien die gestiegenen Bewertungen für René Benkos Immobilien. Für jede einzelne liess der Signa-Gründer aus Tirol den zukünftigen Wert schätzen. "Durch die Höherbewertungen zeigt er dann Gewinne an", erklärt Schmolcke. Allein 2021 wurde Benkos Immobilienbestand so um eine Milliarde aufgewertet.

Das funktionierte, weil die Prime Selection nicht nach dem UGB (österreichisches Pendant zum HGB) bilanziert, sondern nach Internationalen Finanzreporting Standards (IFRS). Denen zufolge können Immobilien höher bewertet werden als zu ihren Anschaffungskosten.

Auf volles Risiko gesetzt

Aus den Abschlüssen sei auch herauszulesen, dass die Gesellschaft 12,6 Millionen Euro Verlust im Jahr 2021 machte, oder dass die Signa für den Münchner Bahnhofsplatz Darlehen in Höhe von 120 Millionen Euro aufnahm.

Besonders auffallend: Aus den Unterlagen geht dem Bericht zufolge hervor, dass Benko auf volles Risiko setzte. "Er hat 3,6 Milliarden Euro von 6,7 Milliarden Euro Kreditvolumen mit variablen Zinsen geführt. Das ähnelt Casino, Glücksspiel", so Schmolcke. Steigen die Zinsen, explodieren die Kosten.

"Ein Prozentpunkt höhere Zinsen entsprechen 36 Millionen Euro - pro Jahr." Steigen die Zinsen - wie zuletzt - um drei Prozentpunkte, entspreche das über 100 Millionen pro Jahr. Die Prime Select AG hatte 2022 den Angaben zufolge kurzfristiges Vermögen in Höhe von 686 Millionen Euro, denen kurzfristige Verbindlichkeiten in Höhe von 2,7 Milliarden gegenüberstanden.

2021 lag diese Unterdeckung noch bei 1,4 Milliarden. "Das hat die Prime Select nicht davon abgehalten, 225 Millionen Euro Dividende auszuschütten."

Geldgeber stimmten zu

Illegal sei das alles nicht, betont Schmolcke. Er fasst zusammen: "Benko bewertet die Immobilien hoch, zeigt dadurch Gewinne, wird attraktiv für Investoren und sammelt Geld ein von den Banken. Und dann schüttet er sich 2,205 Millionen Euro Gewinn aus."

Dieses Risiko seien die Geldgeber eingegangen. "Es kommt auf die Bereitschaft an, das mitzumachen. Die Gläubiger haben das in Kauf genommen. Den Rest regelt jetzt die Insolvenzverwaltung."